29.12.2010
Neues aus der Schweiz
Volksinitiative "Schutz vor Waffengewalt"
Dossier zur Abstimmung vom 13.2.2011
Die Stimmberechtigten der Schweiz werden am 13. Februar 2011 über die Volksinitiative «Schutz vor Waffengewalt» abstimmen. Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat erstmals im Hinblick auf eine Volksabstimmung ein Dossier zusammengestellt, welches die verfügbaren statistischen Hintergrundinformationen zum Abstimmungsthema enthält. Die Informationen zur Abstimmung vom 13.2.2011 basieren auf den Resultaten der polizeilichen Kriminalstatistik bzw. auf denjenigen der Statistik der Todesursachen.
Um dem Prinzip der gleichzeitigen Zugänglichkeit zu statistischen Informationen Rechnung zu tragen, werden – falls notwendig – zukünftige Sonderauswertungen zum Thema Volksinitiative „Schutz vor Waffengewalt“ ebenfalls im Rahmen des vorliegenden Dossiers allen interessierten Personen und den Medien gleichzeitig zugänglich gemacht.
Weiteres unter:
http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/19/03/02/dos/03.html
23.12.2010
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes
Ausgaben der Öffentlichen Hand für Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2009
Gut ein Viertel der Ausgaben wurde für „Hilfen zur Erziehung“ nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) aufgewendet
Bund, Länder und Gemeinden haben im Jahr 2009 insgesamt rund 26,9 Milliarden Euro für Leistungen und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe ausgegeben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) sind die Ausgaben damit gegenüber dem Vorjahr um 9,4% angestiegen.
Nach Abzug der Einnahmen in Höhe von etwa 2,6 Milliarden Euro – unter anderem aus Gebühren und Teilnahmebeiträgen – wendete die öffentliche Hand netto rund 24,3 Milliarden Euro für Kinder- und Jugendhilfe auf. Gegenüber 2008 entspricht das einer Steigerung um 9,2%.
Mit rund 16,2 Milliarden Euro entfiel deutlich mehr als die Hälfte der Bruttoausgaben (60%) auf die Kindertagesbetreuung. Nach Abzug der Einnahmen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro gab die öffentliche Hand netto 14,6 Milliarden Euro für Kindertagesbetreuung aus. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Nettoausgaben um knapp 12% erhöht.
Gut ein Viertel der Bruttoausgaben (26%) – insgesamt mehr als 7,1 Milliarden Euro – wendeten die öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe 2009 für Hilfen zur Erziehung auf. Davon entfielen etwa 3,9 Milliarden Euro auf die Unterbringung junger Menschen außerhalb des Elternhauses in Vollzeitpflege, Heimerziehung oder in anderer betreuter Wohnform. Die Ausgaben für sozialpädagogische Familienhilfe erhöhten sich um 25,4% auf rund 679 Millionen Euro.
Für Maßnahmen und Einrichtungen der Jugendarbeit, zum Beispiel außerschulische Jugendbildung, Kinder- und Jugenderholung oder Jugendzentren, gaben Bund, Länder und Gemeinden rund 1,6 Milliarden Euro aus – dies entspricht 5,8% der Gesamtausgaben. Die Aufwendungen für vorläufige Schutzmaßnahmen, zu denen insbesondere die Inobhutnahme bei Gefährdung des Kindeswohls gehört, stiegen bundesweit von etwa 118 Millionen Euro im Jahr 2008 auf rund 142 Millionen Euro 2009 (+ 20,6%).
Detaillierte Ergebnisse zu den Ausgaben und Einnahmen der Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe 2009 sind voraussichtlich ab Mitte Januar 2011 abrufbar im Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes Suchbegriff „Ausgaben Jugendhilfe“.
Weitere Auskünfte gibt:
Zweigstelle Bonn,
Ulrike Steffes-Ollig,
Telefon: +49 611 75 8167,
E-Mail: jugendhilfe@destatis.de
Tabelle siehe:
Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes
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Nr. 477 vom 20. Dezember 2010
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26,9 Milliarden Euro für Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2009
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23.12.2010
Interessante Themenhefte aus dem Jahrgang 2010
der von der Bundeszentrale für Politische Bildung verbreiteten Zeitschrift
"Aus Politik und Zeitgeschichte"
Jedes Heft kann, auch wenn es in der Druckfassung vergriffen sein sollte, als PDF-Datei kostenlos herunter geladen werden.
23.12.2010
Schriften zur Rechtsanthropologie, Rechtsphilosophie, Gewalt, Strafe, Mediation u.a.
Open Access Angebot von Prof. Dr. Axel Montenbruck, Freie Universität Berlin
Zivilisation. Eine Rechtsanthropologie. Staat und Mensch, Gewalt und Recht, Kultur und Natur (2. Auflage 2010, 494 S.)
Strafrechtsphilosophie (1995-2010). Vergeltung, Strafzeit, Sündenbock, Menschenrechtsstrafe, Naturrecht (2. Auflage 2010, 212 S.)
Western Anthropology. Democracy and Dehumanization (2nd edition 2010, pp. 81)
Zivilreligion. Eine Rechtsphilosophie I. Grundlegung: Westlicher „demokratischer Präambel-Humanismus“ und universelle Trias „Natur, Seele und Vernunft“ (2. Auflage 2010, 139 S.)
Zivilreligion. Eine Rechtsphilosophie II. Grundelemente: Versöhnung und Mediation, Strafe und Geständnis, Gerechtigkeit und Humanität aus juristischen Perspektiven (2010, 315 S.)
Zivilreligion. Eine Rechtsphilosophie III. Überbau: Demokratischer Humanismus, sozialreale Dehumanisierung, Auflösung zum synthetischen Pragmatismus der „Mittelwelt“ (2010, 321 S.)
(http://edocs.fu-berlin.de/)
22.12.2010
Eine aktuell aus den USA stammende, aber vielleicht nicht bloß für die USA wichtige, Anleitung zur Verbesserung der Effektivität von Programmen in der Jugendstrafrechtspflege
Paper Presents Tool To Improve the Effectiveness of Juvenile Justice Programs
On December 3, 2010, Georgetown Public Policy Institute's Center for Juvenile Justice Reform released a paper, authored by Mark W. Lipsey et al., and titled
"Improving the Effectiveness of Juvenile Justice Programs: A New Perspective on Evidence-Based Practice."
The paper provides an overview of a tool that can help measure the effectiveness of existing juvenile justice programs and determine how they can be improved.
It embeds this tool within "The Comprehensive Strategy for Serious, Violent and Chronic Offenders" to support a full continuum of effective programming and ensure youth are matched to programs that meet their needs and level of risk.
Shay Bilchik, the Center's director, emphasized that the framework presented in the paper provides an approach that has been missing from evidence-based practice in the past. He said, "It is not just about evaluating programs, but ensuring that there is a sufficient array of programs available, that youth are matched to appropriate services based on risk and need and that services are evaluated to determine if we are achieving the outcomes the science tells us we should be able to realize." Overall, the tool is designed to help states implement evidence-based treatment programs that reduce recidivism.
Resources:Related materials are available at cjjr.georgetown.edu.
20.12.2010
Länder akzeptieren Reform der Sicherungsverwahrung
Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen
Der Bundesrat hat am 17. Dezember das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung gebilligt. Es kann somit - wie vorgesehen - am Tag nach der Verkündung durch den Bundespräsidenten in Kraft treten.
Das Gesetz reformiert - insbesondere zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 - das Recht der Sicherungsverwahrung grundlegend. Es etabliert ein System, das einen angemessenen Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern ermöglicht, dabei aber rechtsstaatliche Anforderungen wahrt und dem Ausnahmecharakter der Sicherungsverwahrung Rechnung trägt.
Zudem schafft es eine Rechtsgrundlage, die eine sichere Unterbringung von weiterhin gefährlichen, psychisch gestörten Straftätern ermöglicht, die infolge des Urteils des EGMR aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen sind oder bereits entlassen wurden.
Im Bereich der Führungsaufsicht führt es das Instrument der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ein.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesrats vom 17.12.2010)
Die Beschlussvorlage zum Gesetz (BR-Ds 794-10) kann unter folgender URL eingesehen und herunter geladen werden:
http://www.bundesrat.de/cln_179/nn_1759312/SharedDocs/Drucksachen/2010/0...
Die Empfehlungen zum Beschluss des Bundesrates können unter folgender URL eingesehen und herunter geladen werden:
http://www.bundesrat.de/cln_179/nn_1759312/SharedDocs/Drucksachen/2010/0...
Das Protokoll zur Plenarberatung in der 878. Sitzung des Bundesrates vom 17.12. 2010 ist derzeit noch nicht als BR-Ds verfügbar.
15.12.2010
Leitlinien zur Kriminalprävention
Aktuelle Handbücher der Vereinten Nationen
Die Abteilung "Drogen und Kriminalität" der UNO im Vienna Center (UNODC) hat jüngst ein Handbuch zu den Leitlinien der Kriminalprävention vorgelegt,
unter dem Titel:
"Handbook on the Crime Prevention Guidelines. Making them Work"
Das Handbuch bildet einen Teil der Serie "Criminal Justice Handbook Series".
Es kann auch als PDF-Version eingesehen und kostenlos herunter geladen werden unter:
http://www.unodc.org/documents/justice-and-prison-reform/crimeprevention...
Weitere Schriften zum Thema finden sich unter:
http://www.unodc.org/e-lectures/sport/handbooks.html
Das grundlegende, auch auf andere Fragen eingehende
"Compendium of United Nations Standards and Norms in Crime Prevention and Criminal Justice"
aus dem Jahr 2006 ist wie folgt erreichbar:
http://www.unodc.org/pdf/compendium/compendium_2006.pdf
14.12.2010
Das Gefägnissystem als industrieller Komplex:
Eine kritische Betrachtung der amerikanischen Situation aus dem kalifornischen Center on Juvenile and Criminal Justice
Read CJCJ’s newest research brief: “The Prison Industry” (December 2010).
Senior Research Fellow Dr. Randall G. Shelden investigates the complex multi-dimensional composition of the American prison system.
Brief Overview
“The Prison Industry” provides an overview of the many dimensions of the interests and money related to the American prison system. It highlights that the prison system is a “market” for profits to be made by various companies involved in providing services (such as health care and waste management) and products (such as food, security devices, and clothing) used in prisons and jails. It further explores the revenue generated from constructing and maintaining these institutions. There is also a special focus on the privatization of prisons and jails that began to emerge in the 1980’s and continues today, led by the Corrections Corporation of America.
The report further examines incarceration rates in the United States versus the World, as well as the prison industrial complex. Other specific sections of interest include the prison-building frenzy, the recent development towards privatization of prisons allowing more profits for private industry, and the problems associated with privatization.
Vermerk KrimG: Der vollständige Report kann unter folgender URL kostenlos als PDF-Datei herunter geladen werden: http://www.cjcj.org/files/The_Prison_Industry.pdf
03.12.2010
Neuordnung der Sicherungsverwahrung
Der Bundestag hat das Reformgesetz am 2. Dezember verabschiedet.
Die Entscheidung des Bundesrates steht für den 17. Dezember 2010 an.
Presseerklärung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
„Der Bundestag hat heute das Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung mit den Stimmen von Union, FDP und SPD verabschiedet. Die breite parlamentarische Mehrheit für die erste große Reform seit 1970 ist keine Selbstverständlichkeit. Sie entspricht der Unterstützung bei denjenigen, die tagtäglich mit dem Gesetz umgehen - unter anderem unterstützt der Deutsche Richterbund ausdrücklich die Reform, insbesondere den Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung.
Die rechtsstaatlich umstrittene nachträgliche Sicherungsverwahrung ist nun weitgehend abgeschafft. Dafür wird vor allem die vorbehaltene Anordnung der Sicherungsverwahrung ausgeweitet. Dadurch können notorisch gefährliche Schwerverbrecher künftig bei der Verurteilung besser erfasst werden. Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung wird einen zusätzlichen Druck auf den Straftäter entfalten, damit dieser während der Haftzeit aktiv an seiner Resozialisierung mitwirkt und zum Beispiel eine therapeutische Behandlung wahrnimmt.
Die Neuordnung soll wie ein Filter wirken, damit ausschließlich gefährliche Täter zum Schutz der Bevölkerung in Sicherungsverwahrung kommen. Die Präventiv- und die Filterfunktion der Sicherungsverwahrung werden gestärkt, gleichzeitig wird die Sicherungsverwahrung aber rechtsstaatliche Ausnahme und künftig wieder das letzte Mittel der Kriminalpolitik sein.
Im Zentrum steht der Schutz von Leib und Leben - Serienbetrüger, Diebe oder Urkundenfälscher sind kein Fall für die Sicherungsverwahrung. Der Reformvorschlag der Koalition sah bereits eine deutliche Beschränkung der Straftaten vor, die Anlass für eine Sicherungsverwahrung sein können. Zum Abschluss des parlamentarischen Verfahrens ist der Straftatenkatalog noch präziser gefasst worden, so dass nun eindeutig klargestellt ist: Reine Vermögensdelikte sind künftig kein Anlass mehr für die Anordnung von Sicherungsverwahrung.
Seit 1998 ist das Recht der Sicherungsverwahrung zehn Mal geändert worden, oft hektisch und einzelfallbezogen. Die Sicherungsverwahrung war zum Schluss ein kaum noch zu überschauendes Stückwerk. Das hat den Gesetzesanwendern, den Staatsanwälten und Richtern, aber auch den Bewährungshelfern und Gefängnispsychologen die Arbeit immer schwerer gemacht.
Die grundlegende Neuordnung der Sicherungsverwahrung wird ergänzt durch die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung sowie durch ein neues Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter. Das Therapieunterbringungsgesetz kann künftig für die Fälle angewendet werden, die infolge des seit dem 10. Mai 2010 rechtskräftigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden oder werden. Unter den Vorgaben des Grundgesetzes und der Europäischen Menschrechtskonvention ist es künftig in Einzelfällen möglich, psychisch gestörte und weiterhin gefährliche Gewalt- und Sexualstraftäter nach doppelter Begutachtung in geeigneten Einrichtungen unterzubringen, um sie dort zu therapieren.“
Zum Hintergrund:
Das Recht der Sicherungsverwahrung (§§ 66 bis 66b Strafgesetzbuch - StGB) bestimmt, unter welchen Voraussetzungen gefährlichen Straftätern nach vollständiger Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe zum Schutz der Allgemeinheit weiterhin die Freiheit entzogen werden darf. In Umsetzung des Koalitionsvertrags beruht die Neukonzeption der Sicherungsverwahrung auf drei Säulen, nämlich:
- der Konsolidierung der primären SV (§ 66 StGB);
- dem Ausbau der vorbehaltenen SV (§ 66a StGB);
- der weitgehenden Abschaffung der nachträglichen SV (§ 66b StGB).
Diese Änderungen stehen in einer engen Beziehung zueinander. Erst die Konsolidierung der primären und vor allem der Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung schaffen den notwendigen Spielraum, um die Regelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung weitgehend abschaffen zu können, ohne dadurch den notwendigen und angemessenen Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu beeinträchtigen.
Konkret bedeutet die "Konsolidierung" der Sicherungsverwahrung, dass sich diese zukünftig auf die wirklich schwerwiegenden Straftaten konzentrieren wird. Zukünftig werden reine Vermögensdelikte im weitesten Sinne wie Diebstahls- und Betrugsdelikte, aber auch Urkundsdelikte vollständig aus dem Anwendungsbereich der Sicherungsverwahrung herausgenommen.
Möglich bleibt die Sicherungsverwahrung nur noch bei Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit sowie bei schweren Raub- und Erpressungsdelikten, schweren gemeingefährlichen Taten (insbesondere Brandstiftung) und schweren Staatsschutzdelikten sowie bei schweren Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz oder dem Völkerstrafgesetzbuch.
Gleichzeitig wird die sogenannte Rückfallverjährung bei Sexualdelikten verlängert, also der Zeitraum, in dem frühere Taten des Verurteilten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung berücksichtigt werden können. Der Bundestag hat diese Frist, die nach dem Gesetzentwurf bereits auf 10 Jahre verdoppelt werden sollte, auf 15 Jahre verlängert.
Der Ausbau der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung besteht vor allem darin, dass sich zukünftig auch bei schwer straffälligen Ersttätern, also insbesondere Gewalt- oder Sexualverbrechern mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren, das Gericht die Sicherungsverwahrung im Urteil vorbehalten kann. Für die Anordnung des Vorbehalts genügt es, dass der Täter nach Überzeugung des Gerichts zumindest wahrscheinlich gefährlich ist. Es hat dann vor dem Ende des Strafvollzugs abschließend zu prüfen, ob der Verurteilte als gefährlich einzustufen ist und es daher der Anordnung der Sicherungsverwahrung bedarf.
Der Bundestag hat sich darauf verständigt, den Vorbehalt nicht automatisch mit einer Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung erlöschen zu lassen. So kann verhindert werden, dass die Gerichte über Gebühr von einer solchen Bewährung absehen, nur weil sie den unwiderruflichen Verlust des Vorbehalts fürchten. Der Verurteilte erhält damit die Möglichkeit, durch ein beanstandungsfreies Leben in Freiheit sich die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung zu sichern. Muss hingegen aufgrund eines Bewährungsversagens die Strafaussetzung widerrufen werden, kann die Sicherungsverwahrung doch noch angeordnet werden.
Die nachträgliche Sicherungsverwahrung wird weitgehend abgeschafft. Sie hat in der Vergangenheit mehr Probleme verursacht als gelöst. Zum einen gab es aufgrund der notwendigen hohen Voraussetzungen für deren Anordnung in der Praxis kaum Fälle, in denen sie tatsächlich eingriff. Zum anderen werden ihre negativen Auswirkungen auf den Strafvollzug kritisiert, da zahlreiche Strafgefangene unter genereller Beobachtung standen, ob sie nicht Kandidaten für die nachträgliche Sicherungsverwahrung seien und so notwendige Resozialisierungsmaßnahmen eher erschwert wurden. Schließlich mehren sich die Stimmen, die generelle Bedenken gegen die nachträgliche Sicherungsverwahrung im Hinblick auf die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erheben.
Die Änderungen sollen nur für "Neufälle" (also nach Inkrafttreten der Neuregelung begangene Anlasstaten) bei gleichzeitiger Beibehaltung der bestehenden Rechtslage für "Altfälle" gelten. Dadurch lassen sich von vornherein Rückwirkungsprobleme vermeiden, die insbesondere dadurch entstehen können, dass nach Ansicht des EGMR die derzeit vollzogene Sicherungsverwahrung als Strafe im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 EMRK anzusehen ist. Neben diesen Änderungen im Recht der Sicherungsverwahrung werden die Regelungen zur Führungsaufsicht maßvoll ergänzt. Die Möglichkeiten einer intensiven Betreuung und Überwachung von weiterhin rückfallgefährdeten, aber in die Freiheit zu entlassenden Straftätern werden ausgebaut. Insbesondere wird das Instrument einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung eingeführt, mit dem zum Beispiel die Einhaltung von Weisungen, sich bestimmten Orten wie Kindergärten oder Schulen nicht zu nähern, besser kontrolliert werden kann. Zudem soll die Möglichkeit ausgedehnt werden, die Führungsaufsicht unbefristet zu verlängern.
Die Führungsaufsicht kann jedoch trotz dieser Maßnahmen weder therapeutische Möglichkeiten noch die Sicherheit der Allgemeinheit in gleichem Maße gewährleisten wie eine Unterbringung. Mit dem "Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG)" wird die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, die infolge des Urteils des EGMR aus der Sicherungsverwahrung zu entlassenden oder bereits entlassenen Straftäter in einer geschlossenen Einrichtung zu therapieren und zu behandeln, soweit dies nach den Vorgaben des Verfassungsrechts und der EMRK rechtlich zulässig und zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Zentrale Voraussetzung für die Anordnung der Therapieunterbringung soll das Vorliegen einer psychischen Störung und einer daraus resultierenden hohen Gefährlichkeit der betroffenen Person sein. Der EGMR hat deutlich gemacht, dass auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters eine derartige Unterbringung nicht ausschließt. In diesem Sinne ist auch der Begriff der "psychischen Störung" zu verstehen, der sich zugleich an die Begriffswahl der heute in der Psychiatrie genutzten Diagnoseklassifikationssysteme anlehnt. Soziale Abweichungen oder soziale Konflikte allein, ohne persönliche Beeinträchtigungen der betroffenen Person, werden danach nicht als eine psychische Störung bezeichnet. Spezifische Störungen der Persönlichkeit, des Verhaltens, der Sexualpräferenz, der Impuls- oder Triebkontrolle hingegen können sich als psychische Störung darstellen.
Das Vorliegen einer psychischen Störung allein reicht jedoch für die Anordnung der Therapieunterbringung nicht aus. Vielmehr muss eine Gesamtwürdigung ergeben, dass die betroffene Person infolge ihrer psychischen Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung eines anderen beeinträchtigt. Die Gefährlichkeit der betroffenen Person muss im Sinne einer Kausalität auf der psychischen Störung beruhen. Grundlage der Gefährlichkeitsprognose ist eine Gesamtwürdigung, die die Persönlichkeit der betroffenen Person, also insbesondere ihre psychische Störung einbezieht, aber auch das - vor allem kriminelle - Vorleben und die aktuellen Lebensverhältnisse. Bei bereits aus der Sicherungsverwahrung entlassenen Personen wird im Rahmen der Gesamtwürdigung das Verhalten seit der Entlassung besonders zu berücksichtigen sein, da ein Leben in Freiheit deutlich mehr Raum für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter lässt als ein solches in der Sicherungsverwahrung.
Die Bereitstellung und der Vollzug der Unterbringung liegen in der Kompetenz der Länder. Sie muss etwas grundlegend anderes sein als Strafhaft oder Sicherungsverwahrung, um den Anforderungen der EMRK gerecht zu werden. Im Vordergrund muss die Behandlung stehen, die darauf ausgerichtet sein muss, die betroffene Person möglichst schnell entlassen zu können. Neben den materiellrechtlichen Voraussetzungen der Therapieunterbringung regelt das neue Gesetz auch das Verfahren. Dafür gelten -abgesehen von einigen Besonderheiten - die Vorschriften über das Verfahren in Unterbringungssachen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) entsprechend. Nach diesen Regeln richtet sich auch der umfängliche garantierte Rechtsschutz der Betroffenen. Mit der Anordnung der Therapieunterbringung werden die Zivilkammern bei den Landgerichten betraut.
(Quelle: Pressemitteilung des BMJ vom 2. Dezember 2010)