24.08.2011
Das Bundeskabinett hat am 17.8.2011 Eckpunkte zur Einrichtung einer Regierungskommission beschlossen, mit der die Sicherheitsarchitektur und -gesetzgebung seit dem 11. September 2001 kritisch überprüft wird.
Dazu erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
"Die neue Regierungskommission steht für die von dieser Bundesregierung eingeleitete Trendwende in der Innen- und Sicherheitspolitik. Bereits im Koalitionsvertrag haben sich FDP und Union darauf verständigt, das einseitige Stakkato immer neuer Sicherheitsgesetze zu beenden.
Mit der neuen Kommission wird die Sicherheitsarchitektur und -gesetzgebung der vergangenen zehn Jahre einer umfassenden und kritischen Gesamtschau unterzogen. Die Kommission wird eine übergeordnete rechtsstaatliche Perspektive einnehmen und konkrete Empfehlungen für die künftige Gesetzgebung und Sicherheitsstruktur erarbeiten.
Bei fast 30 neuen Gesetzen seit dem 11. September 2001 war ein distanziertes, sachliches Abwägen zwischen legitimen Sicherheitsinteressen und den verfassungsrechtlich verbrieften Freiheitsrechten kaum noch möglich. Ein Schwerpunkt der Untersuchung wird nun die Entwicklung der Eingriffsbefugnisse in den letzten zehn Jahren sein. Das Austarieren von Freiheit und Sicherheit beginnt gerade im sensiblen Bereich der Terrorismusbekämpfung mit präzisen Analysen zu Tiefe und Streubreite der staatlichen Eingriffe in geschützte Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger.
Auf dem Prüfstand der Regierungskommission steht auch die Organisation der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden. Die Trennungslinie zwischen Polizei und Nachrichtendiensten droht zu verwischen, wenn die Polizei immer weiter im Vorfeld tätig wird und Nachrichtendienste über polizeiähnliche Befugnisse verfügen. Die Regierungskommission soll Aufgabenüberschneidungen aufdecken und kritisch bewerten, zum Beispiel bei vermeidbaren Doppelzuständigkeiten zwischen MAD und Bundesamt für Verfassungsschutz.
Für die Arbeit der Regierungskommission gibt es einen klaren Zeitplan. Bereits im Herbst dieses Jahres wird die Kommission eingesetzt, schon im nächsten Jahr soll ein erster Zwischenbericht vorliegen."
Zum Hintergrund:
Die Bundesregierung hat heute Eckpunkte zur Einrichtung einer „Regierungskommission zur Überprüfung der Sicherheitsarchitektur und -gesetzgebung in Deutschland nach dem 11. September 2001“ beschlossen.
Nach den Terroranschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Sicherheitsgesetze kontinuierlich ausgeweitet worden. Ein Gutachten aus dem Deutschen Bundestag zählt 26 Gesetze und internationale Abkommen zur Terrorismusbekämpfung allein zwischen 2001 und 2008. Dazu gehörten etwa die nach dem damaligen Bundesinnenminister benannten Sicherheitspakete Schily I und II in den Jahren 2001 und 2002, die so genannte Anti-Terror-Datei aus dem Jahr 2006 sowie mehrere bereits für verfassungswidrig erklärte Regelungen, zum Beispiel das Luftsicherheitsgesetz, mit dem im Notfall der Abschuss von Passagiermaschinen erlaubt werden sollte, oder die ebenfalls für verfassungswidrig erklärte Vorratsdatenspeicherung.
Die einzusetzende Regierungskommission wird diese Entwicklung kritisch untersuchen und hieraus Schlussfolgerungen für die Gesetze zum Vorgehen gegen den Terrorismus sowie für die künftige Ausgestaltung der Sicherheitsarchitektur ziehen. Dabei soll sie auch technische Neuerungen und die Vorgaben der EU in den Blick nehmen. Geplant ist darüber hinaus eine kritische Gesamtschau der verschiedenen Behörden und ihres Zusammenwirkens sowie der Entwicklung ihrer Aufgaben und Befugnisse, insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Überschneidungen und Mehrfachzuständigkeiten.
Die Regierungskommission wird unter der gemeinsamen Federführung des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz eingerichtet und geleitet. Den gemeinsamen Vorsitz haben der Bundesminister des Innern und die Bundesministerin der Justiz. Daneben werden der Regierungskommission insgesamt acht Experten angehören, jeweils einer aus den beiden Ministerien und sechs externe Experten.
Die Einrichtung der Regierungskommission steht in engem Zusammenhang mit einem weiteren Beschluss des Bundeskabinetts vom heutigen Tag, der die Einigung der Koalitionspartner zum Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) umsetzt. Anstelle der ursprünglich diskutierten Verschärfung, Entfristung oder pauschalen Verlängerung der auslaufenden Geheimdienstbefugnisse hatte sich die Bundesregierung auf ein rechtsstaatlich differenziertes Vorgehen verständigt. Regelungen, die sich als entbehrlich erwiesen haben, werden ersatzlos gestrichen. Andere Regelungen, die sich als sinnvoll erwiesen haben, werden erneut befristet verlängert, allerdings mit deutlichen Verbesserungen der rechtsstaatlichen Kontrolle und des Grundrechtsschutzes versehen.
(Quelle: Pressemitteilung des Referats Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des BMJ vom 17.8.2011)
23.08.2011
auch mit Bedeutung für kriminologische Fragen,
verfasst von Uta Meier-Gräwe und Inga Wagenknecht
Die vorliegende Expertise vergleicht erstmals in Deutschland die Kosten Früher Hilfen mit Ausgaben, die durch spätere Interventionen entstehen können. Die Berechnung am Beispiel des Standorts Ludwigshafen im NZFH-Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“ zeigt, dass Frühe Hilfen im Erfolgsfalle ein Vielfaches an Folgekosten einsparen können.
In den vergangenen Jahren sind vielerorts Programme und Projekte zur Verbesserung des Kinderschutzes entstanden, in denen die Vernetzung und Kooperation zwischen Gesundheits- und Jugendhilfe gestärkt und Angebote für junge Familien ausgebaut wurden. Gleichwohl werden präventive, niedrigschwellige Angebote gegenüber den Pflichtaufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe faktisch immer noch als nachrangig behandelt, insbesondere bei prekärer kommunaler Haushaltslage. Die vorliegende Expertise zeigt, wie verhängnisvoll diese Finanzierungspraxis für die betroffenen Individuen und die Gesellschaft insgesamt sein kann.
Die Studie enthält zunächst eine Kostenanalyse Früher Hilfen, die im Rahmen des Projekts „Guter Start ins Kinderleben“ erstellt wurde. Dem Ergebnis werden die Kosten gegenübergestellt, die entstehen können, wenn ein Kind von Vernachlässigung und/oder Misshandlung betroffen ist.
Die Studie zeigt, dass durch Frühe Hilfen Folgekosten einer Kindeswohlgefährdung vermieden werden können. Die erzielten Befunde der Studie sprechen für einen entschiedenen Paradigmenwechsel in den Finanzierungsstrukturen von Gesundheitswesen und Jugendhilfe. Das derzeitige Wissen und der Forschungsstand in diesem Bereich verweisen bereits heute darauf, dass Frühe Hilfen als eine sinnvoll angelegte Zukunftsinvestition für die betroffenen Kinder und für die Gesellschaft insgesamt begriffen werden müssen.
(Quelle: Nationales Zentrum Frühe Hilfen, 22. August 2011)
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