Oktober 2010

29.10.2010

Aktuelle Mitteilung des Statistischen Bundesamtes:

Zahl der Verurteilten im Jahr 2009 weiter rückläufig

 

Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden (Destatis) mitteilt, wurden im Jahr 2009 rund 844 500 Personen wegen Verbrechen oder Vergehen rechtskräftig verurteilt. Das waren 3% weniger als im Vorjahr (knapp 874 700). Gegenüber 2007, als die Strafverfolgungsstatistik erstmals flächendeckend in Deutschland durchgeführt wurde, ging die Verurteiltenzahl um 6% zurück. Maßgeblich wird dieser Trend durch einen Rückgang bei den Straftaten im Straßenverkehr beeinflusst. Im Jahr 2009 wurden rund 188 400 Personen oder 22% aller Verurteilten wegen Straßenverkehrsdelikten belangt. 2008 wurden in dieser Deliktgruppe noch etwa 204 900 Verurteilte gezählt.

Von den im Jahr 2009 insgesamt rund 844 500 Verurteilten erhielten 5%, also 44 600, eine Freiheits- oder Jugendstrafe ohne Bewährung. Bei 108 600 Verurteilten (13%) wurde die Freiheits- oder Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Damit erhielten sieben von zehn der zu Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilten Personen die Gelegenheit, einen Gefängnisaufenthalt durch eine erfolgreiche Bewährungszeit zu vermeiden.

Die zahlenmäßig wichtigste strafrechtliche Sanktion war die Geldstrafe nach allgemeinem Strafrecht. 2009 wurden 593 100 Verurteilte mit einer Geldstrafe belegt; das waren rund 70% aller Verurteilten.

Mit so genannten Zuchtmitteln und Erziehungsmaßregeln nach Jugendstrafrecht wie etwa Jugendarrest, Arbeitsauflagen oder Weisungen wurden die Straftaten von weiteren 98 200 Personen (12% aller Verurteilten) sanktioniert.

Insgesamt verurteilten deutsche Gerichte 116 900 Personen nach Jugendstrafrecht (14%) und 727 600 Personen nach allgemeinem Strafrecht (86%). Das stärker am Erziehungsgedanken ausgerichtete Jugendstrafrecht kann auch für Heranwachsende bis 20 Jahren angewendet werden, wenn das Gericht eine verzögerte Reife feststellt. 2009 kam es annähernd bei zwei von drei verurteilten Heranwachsenden (65%) zur Anwendung.

Junge Menschen wurden im Jahr 2009, bezogen auf ihren Anteil in der Bevölkerung, weitaus häufiger verurteilt als Ältere: Jugendliche (14 bis 17 Jahre) fast doppelt so oft, Heranwachsende (18 bis 20 Jahre) dreimal so oft wie Erwachsene ab 21 Jahren. Dabei ist die registrierte Kriminalität ein vorwiegend männliches Phänomen. 2009 waren 82% der Verurteilten Männer (688 600).

Für Männer wie für Frauen gilt gleichermaßen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung im Alter von Anfang bis Mitte 20 am höchsten ist. Danach geht sie kontinuierlich zurück – Kriminalität bleibt in der Regel eine Übergangserscheinung in der Lebensgeschichte.

Nach den Straßenverkehrsdelikten waren Diebstahl beziehungsweise Unterschlagung die häufigsten Delikte. Im Jahr 2009 wurden 149 200 (18%) Personen deswegen verurteilt, weitere 101 600 (12%) wegen Betrugs. Wegen Körperverletzungsdelikten mussten sich 84 000 (10% der Verurteilten) verantworten, wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz 59 400 (7%).

 

Ausgewählte Ergebnisse der Strafverfolgungsstatistik 2008 sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt.

 
Rechtskräftig verurteilte Personen
Art der Nachweisung
Verurteilte

ins-
gesamt

Jugend-
liche
(14 bis unter
18 Jahre)

Heran-
wach-
sende
(18 bis unter
21 Jahre)

Er-
wachsene
(ab 21 Jahre)

Deutschland
2007
897 631
 63 826
 91 411
 742 394
2008
874 691
 62 216
 86 163
 726 312
2009
844 520
 60 900
 85 891
 697 729
 
Nach Geschlecht: 
Männer
688 550
 50 964
 73 302
 564 284
Frauen
155 970
 9 936
 12 589
 133 445
 
Nach Staatsangehörigkeit: 
Nicht-Deutsche
169 315
10 410
13 465
145 440
Deutsche
701 049
 51 892
 72 942
 576 215
 
Je 100 000 Personen der gleichen Bevölke-rungsgruppe
1 036
 1 682
 2 729
  928
 
Nach der schwersten Sanktion: 
Allgemeines Strafrecht
727 641
 29 912
 697 729
Freiheitsstrafe
134 496
 1 559
 132 937
davon:

ohne Bewährungsaussetzung

37 911
184
37 727

mit Bewährungsaussetzung

96 585
 1 375
 95 210
Geldstrafe
593 128
 28 352
 564 776
Strafarrest
17
  1
  16
Jugendstrafrecht
116 879
 60 900
 55 979
Jugendstrafe
18 684
 6 405
 12 279
davon: 

ohne Bewährungsaussetzung

6 674
2 076
4 598

mit Bewährungsaussetzung

12 010
 4 329
 7 681

Zuchtmittel/ Erziehungsmaßregeln

98 195
54 495
43 700
davon: 
Zuchtmittel
89 408
 49 257
 40 151
Erziehungsmaßregeln
8 787
 5 238
 3 549
Nach ausgewählten Straftaten: 

Straftaten im Straßenverkehr

188 398
 5 459
 15 310
 167 629

Straftaten gegen die Person

136 582
 18 403
 18 932
 99 247
darunter: 

Körperverletzung, einschließlich  gefährliche und schwere:

83 951
 15 865
 14 975
 53 111

Straftaten gegen das Vermögen

379 110
 31 516
 37 224
 310 370
darunter: 

Diebstahl und Unterschlagung

149 185
 19 826
 15 677
 113 682
Betrug
101 618
 1 099
 5 590
 94 929

Sonstige Straftaten

140 430
 5 522
 14 425
 120 483
darunter: 
Betäubungsmitteldelikte
59 432
 2 158
 7 916
 49 358
           

Weitere Dateien und Hintergrundinformation unter:

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Navigation/Statistiken/Rechtspflege/Strafverfolgung/Strafverfolgung,templateId=renderPrint.psml__nnn=true
 

Weitere Auskünfte gibt:

Stefan Alter, Telefon: +49 611 75 4114, E-Mail: rechtspflegestatistik@destatis.de

(Quelle: Pressemitteilung DESTATIS, Nr.388 vom 27.10.2010)

 

29.10.2010

Gewaltphänomene

Strukturen, Entwicklungen und Reaktionsbedarf

Ein besonderes Angebot der Bibliothek des Bundeskriminalamts

 

Die in der vergangenen Woche in Wiesbaden veranstaltete Herbsttagung 2010 des BKA stand unter dem Generalthema aktueller Gewaltphänomene: namentlich Gewalt im Sozialen Nahbereich, Gewalt im Islamismus; Gewalt bei sportlichen Großereignissen.

Die Bibliothek des BKA hat diese Tagung zum Anlass genommen, in schon gut bewährter Tradition den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Literaturauswahl als gedruckte Broschüre zur Verfügung zu stellen (COD-Literatur-Reihe, Band 22, 2010). Diese Broschüre kann nunmehr auch kostenlos als PDF-Datei auf der Homepage des BKA herunter geladen werden:
http://www.bundeskriminalamt.de/kriminalwissenschaften/veroeff/inh/cod_p...


 

28.10.2010

Drakonische Strafe in Iran

Dieb wird vor Publikum Hand amputiert

 

Iran setzt auf Abschreckung: Mithäftlinge mussten zuschauen, wie einem verurteiltem Räuber die Hand amputiert wurde. Damit häufen sich die Hinweise, dass das iranische Regime die grausame Strafe jetzt öfters verhängen will. Das Schicksal eines weiteren verurteilten Diebs ist unklar.

Teheran - Im Iran ist einem verurteilten Dieb die Hand amputiert worden. Der 32-jährige Mann sei bereits mehrfach verurteilt worden, berichtete die Agentur Mehr am Sonntag. Die Amputation wurde demnach vor den Augen von Mithäftlingen in einem Gefängnis in der Stadt Jasd vollzogen.
Vor einer Woche war bereits ein Dieb, der aus einem Süßwarenladen gestohlen hatte, zu der drakonischen Strafe verurteilt worden. Ob sie vollzogen wurde, ist indes nicht bekannt.

Weitere Information auf Spiegel-Online unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,725011,00.html


 

27.10.2010

Bundesweite DNA-Analyse-Datei im Bundeskriminalamt:

Aktuelle Statistik zum Stand von Ende September 2010

 

Nach den Angaben des BKA umfasste die dort geführte und bundesweit angelegte DNA-Analyse-Datei einen Bestand von 883.199 Datensätzen, aufgeteilt in 702 015 so genannte Personendendatensätze und 181 184 so genannte Spurendatensätze.

Auf der einen Seite wird der monatliche Zugang an neuen Datensätzen mit rund 8 500 angegeben. Auf der anderen Seite wird mitgeteilt, dass seit dem Beginn des Datenbankbetriebs (1998) rund 142 000 Datensätze wieder gelöscht wurden.

Was die „Treffer“, also die zu einer Aufklärung von Vergehen und Verbrechen beitragende Menge von Zuordnungen von Spuren, betrifft, so teilt sich die seit Errichtung der Datei im Jahr 1998 bis zum Ende des III. Quartals 2010 erreichte Gesamtzahl von 105.975 Treffer wir folgt auf: In rund 23 000 sog. Spur-Spur-Treffer, d. h. die Feststellung, desselben Spurverursachers an verschiedenen Tatorten; und in rund 83 000 sog. Personen-Treffer, bei denen eine Tatsortspur einem Spurenverursacher zugeordnet werden konnte.

Zum Ablauf des 30.9.2000 war die Zählweise der Statistik umgestellt worden. Die neue Zählweise gilt seit dem 1.10.2000. Von da an bis zum 30.9.2010 wurden insgesamt 82 200 Treffer erzielt. Diese Spur-Person bzw. Person-Spur Treffer verteilten sich wie folgt auf die Deliktsformen:

  • Straftaten gegen das Leben = 958
  • Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung = 1.791
  • Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit = 1.176
  • Straftaten gegen die persönliche Freiheit = 92
  • Straftaten aus dem Bereich Diebstahl und Unterschlagung = 65.936
  • Straftaten aus dem Bereich Raub und Erpressung = 5.630
  • Straftaten gegen die öffentliche Ordnung = 305
  • Gemeingefährliche Straftaten = 674
  • Straftaten aus dem Bereich Betrug und Untreue = 178
  • Straftaten aus dem Bereich Beleidigung = 102
  • Straftaten aus dem Bereich Sachbeschädigung = 538
  • Sonstige Straftaten nach dem Strafgesetzbuch = 3.304
  • Straftaten gemäß den sog. Nebengesetzen (Betäubungsmittelgesetz, Waffengesetz u.a..) = 1.516

Die Originalangaben, zudem ergänzt durch Kurzbeschreibungen zu acht „beispielhaften Aufklärungserfolgen“ betreffend Taten, die zwischen 1973 und 2006 begangen worden waren, finden sich unter der folgenden URL: http://www.bka.de/profil/faq/dna02.html

Allgemein nützliche Hinweise zur DNA, zur Methode der DNA-Analyse, und zur DNA-Datei finden sich, unter der Überschrift „Infos rund um die DNA-Analyse“, unter folgender URL: http://www.bka.de/profil/faq/dna01.html


 

25.10.2010

Situationsanalyse zur amtlich bekannt gewordenen Korruption in Deutschland.

Bundeskriminalamt veröffentlicht im Lagebericht Korruption 2009 aktuelle Zahlen

 

Bundeslagebild Korruption 2009

Im Jahr 2009 wurde vom Bundeskriminalamt (BKA) und den Landespolizeidienststellen in 1.904 Korruptionsverfahren ermittelt, was einem Anstieg von etwas mehr als 5 % im Vergleich zum Vorjahr (1.808) entspricht.

Ein Großteil der Ermittlungsverfahren (87 %) betraf den Bereich der strukturellen Korruption. Hierbei handelt es sich um Fälle, bei denen die Korruptionshandlung auf Grundlage längerfristig angelegter Beziehungen bereits im Vorfeld der Tatbegehung bewusst geplant wurde. Bei mehr als einem Drittel der gemeldeten Delikte bestanden die festgestellten korruptiven Beziehungen über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.

Die Zahl der vom BKA und den Landespolizeidienststellen registrierten einzelnen Korruptionsstraftaten ist um rund 26 % zurückgegangen. Während im Vorjahr 8.569 Fälle gemeldet wurden, waren es 2009 noch 6.354 polizeilich festgestellte Delikte.

Sowohl bei den Korruptionsstraftaten als auch bei den so genannten Begleitdelikten, also den mit Korruptionsstraftaten unmittelbar zusammenhängenden Straftaten (z. B. Betrugs- und Untreuehandlungen, Urkundenfälschung, Strafvereitelung), wurde im Jahr 2009 der niedrigste Wert der vergangenen fünf Jahre registriert. Der Schwerpunkt der Korruptionsfälle lag im Jahr 2009 im Bereich der öffentlichen Verwaltung, wobei sich der Trend einer Verlagerung in den Bereich der Wirtschaft weiter fortgesetzt hat.

BKA-Präsident Jörg Ziercke:
"Zwar war die öffentliche Verwaltung statistisch gesehen von Korruption stärker betroffen als die Privatwirtschaft, jedoch bestätigen die Zahlen des Jahres 2009 den in den Vorjahren festgestellten Trend einer Angleichung der beiden Bereiche. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die öffentliche Verwaltung mittlerweile flächendeckend Anti-Korruptions-Programme und entsprechende Kontrollsysteme eingeführt hat, die eine abschreckende Wirkung nach sich ziehen. Gleichzeitig stellt es sich so dar, dass Korruption in der Wirtschaft zwischenzeitlich mit Nachdruck verfolgt wird und demzufolge die Fallzahlen in diesem Bereich ansteigen."

Zwar spielten internationale Korruptionssachverhalte auch im Jahr 2009 vom Aufkommen her eine untergeordnete Rolle. Allerdings war mit 69 Straftaten nach dem Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung (IntBestG) und 40 Straftaten nach dem EU-Bestechungsgesetz (EUBestG) im Vergleich zu den Vorjahren ein erneuter Anstieg zu verzeichnen (2008 IntBestG: 31 Straftaten; EUBestG: 10 Straftaten).

BKA-Präsident Jörg Ziercke:
"Auffällig ist nach wie vor, dass wir bislang nur geringe Fallzahlen im Bereich der internationalen Korruptionsstraftaten feststellen – trotz durchgängig global aufgestellter Wirtschaftsunternehmen und des steigenden internationalen Konkurrenzdrucks. Auch bei Korruption – einem typischen Begleitdelikt der Wirtschaftskriminalität – stoßen wir oftmals auf feste, international weit verzweigte „Korruptionsgeflechte“. In diesem Bereich müssen wir daher von einem erheblichen Dunkelfeld ausgehen."

Im Jahr 2009 wurden im Zusammenhang mit Korruptionsstraftaten 2.953 Tatverdächtige (2008: 3.020) registriert. Dies bedeutet einen geringen Rückgang von etwas mehr als 2 % gegenüber dem Vorjahr. Von den Tatverdächtigen waren 1.547 (Vorjahr: 1.694) den Korrumpierten, also den so genannten "Nehmern" und 1.406 (Vorjahr: 1.326) den Korrumpierenden, also den so genannten "Gebern" zuzuordnen.

Während Privatpersonen und die Baubranche bei den „Gebern“ wie in den Vorjahren dominieren, tritt inzwischen auch die Automobilbranche häufiger als „Geber“ auf. Der Mehrjahresvergleich zeigt, dass die „Erlangung von Aufträgen“ auf der „Geber“-Seite mit Abstand das bevorzugte Ziel korruptiven Handelns ist. Bei den „Nehmern“ ist die Leitungsebene insgesamt deutlich überrepräsentiert – Korruption kann demnach durchaus als „Leitungsdelikt“ bezeichnet werden, da die Attraktivität für korruptive Anbahnungen mit größeren Entscheidungsbefugnissen steigt. Ebenso wie in den Vorjahren bilden Bargeld- und Sachzuwendungen den Schwerpunkt bei den Vorteilen auf der „Nehmer“-Seite.

(Quelle: Pressemitteilung des BKA vom 15. 10. 2010)

Der komplette Bericht ist unter folgender URL als PDF-Datei abrufbar: http://www.bka.de/lageberichte/ko.html

 


 

20.10.2010

"Schwitzen statt Sitzen" in Baden-Württemberg

Ein Bericht zu einem von Chance e.V. und der Landesstiftung Baden-Württemberg geförderten Nachsorge-Projekt des Netzwerks Straffälligenhilfe

 

Das Netzwerk Straffälligenhilfe in Baden-Württemberg, ein Zusammenschluss von autonomen Mitgliedsvereinen der drei Dachverbände
-- „Badischer Landesverband für soziale Rechtspflege“,
-- „Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband DPWV“ und
-- „Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg“
vermittelt seit 2008 umfassend und flächendeckend in Baden-Württemberg Straffällige in gemeinnützige Arbeit.
Bereits seit 1988 hatten einige Mitgliedsvereine Erfahrungen mit dem Projekt "Schwitzen statt Sitzen" gesammelt.

Ziel diese Projekts ist die Haftvermeidung durch Umwandlung von uneinbringlichen Geldstrafen in gemeinnützige Arbeitsauflagen. Die gemeinnützige Arbeit ist für die Einsatzstellen kostenfrei.

Dies bedeutet:

  • einen Beitrag zur Resozialisierung, indem der Straftäter in seinem sozialen Umfeld belassen wird und Arbeitstugenden erlernt;
  • Kostenersparnis und Entlastung des Strafvollzugs;
  • Wiedergutmachung durch eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit;

Für das Land Baden-Württemberg ist eine Kostenersparnis in Höhe von 15 Mio. € jährlich zu erwarten (ca. 200.000 vermiedene Hafttage à 75€)

Das Netzwerk hat ein Qualitätskonzept erarbeitet. Es kann unter folgender URL eingesehen und herunter geladen werden: http://www.badlandverb.de/gk-ga.pdf

Eine Information aus dem Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg verdeutlicht die Entwicklung in den vergangenen Jahren:
Danach wurden im Jahr 2009 allein im württembergischen Verbandsgebiet 8.953 Klienten in gemeinnützige Arbeit vermittelt, und es wurden damit 82.257 Hafttage erspart.

Die Entwicklung aller Leistungsangebote im württembergischen Verbandsgebiet im Zeitraum von 2001 – 2009 wird in einer Excel-Tabelle mit zusätzlichen Schaubildern verdeutlicht:
http://www.verband-bsw.de/statistik.xls

Ergänzender Hinweis:

Weitere Informationen über Chance e.V. stehen unter: http://www.projekt-chance.de/

Weitere Informationen zum Badischen Landesverband für Soziale Rechtspflege stehen unter: http://www.badlandverb.de/

Weitere Informationen zum Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg stehen unter: http://www.verband-bsw.de/

Weitere Informationen zum DPWV, Landesverband Baden-Württemberg, stehen unter: http://www.paritaet-bw.de/content/e153/


 

18.10.2010

Alkoholverkaufsverbot an Tankstellen ist verfassungsgemäß

Erfolglose Verfassungsbeschwerde einer Tankstellenpächterin gegen das nächtliche Alkoholverkaufsverbot in Baden-Württemberg

 

(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. September 2010, 1 BvR 1789/10)

Der am 1. März 2010 in Kraft getretene § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) untersagt den Verkauf von alkoholischen Getränken in Ladengeschäften aller Art, darunter auch Tankstellenshops, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr. Ausgenommen von dem Verkaufsverbot sind Hofläden und Verkaufsstellen von landwirtschaftlichen Genossenschaften und Betrieben sowie auf Verkehrsflughäfen.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, die in Baden-Württemberg eine Tankstelle einschließlich „Tankshop“ gepachtet hat, die Verletzung ihres Grundrechts auf Berufsfreiheit sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Insbesondere verletzt das zeitlich begrenzte Verbot des Alkoholverkaufs die Beschwerdeführerin nicht in ihren Verfassungsrechten.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die beschränkende Verkaufsregelung greift zwar in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin ein. Sie erfüllt aber die Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Normen. Als Regelung der Gefahrenabwehr fällt sie in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers und trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Der Landesgesetzgeber verfolgt mit der Neuregelung die gewichtigen Gemeinwohlziele, einem vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Alkoholmissbrauch und dadurch bedingten Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen.

Die Annahme des Gesetzgebers, dass die tageszeitliche Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten zu einer Verringerung der mit einem missbräuchlichen Konsumverhalten einhergehenden Gefahren führt, ist nicht zu beanstanden. Es ist nahe liegend, dass durch eine Begrenzung der zeitlichen Verfügbarkeit von Alkohol der vermehrte Konsum und die damit einhergehende Entstehung von Szenetreffs, insbesondere an den nicht privilegierten Verkaufsstellen wie Tankstellen und Kiosken, eingedämmt werden kann.

Weder eine Beschränkung des Verkaufverbots auf bestimmte alkoholische Getränke noch eine Einschränkung des Verbotszeitraums wären mildere Mittel, die die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung entfallen lassen könnten, da sie nicht in gleichem Maße wirksam wären. Dies gilt auch für einzelfallbezogene polizeirechtliche Maßnahmen, da diese voraussetzen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bereits eingetreten ist. Ferner würden lokal begrenzte Alkoholkonsumverbote in Form von Polizeiverordnungen lediglich zu einer örtlichen Problemverlagerung führen.

Angesichts des bezweckten Schutzes hochrangiger Gemeinschaftsgüter steht die angegriffene Regelung in einem angemessenen Verhältnis zu den grundrechtlich geschützten Belangen der Beschwerdeführerin.

Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtraucherschutz und der geforderten folgerichtigen Umsetzung des gewählten Schutzkonzepts. Denn die dortige Ausgangssituation ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Der Landesgesetzgeber hat Ausnahmen vom nächtlichen Verkaufsverbot für bestimmte privilegierte Verkaufsstellen vorgesehen, weil er diesen gerade kein identisches Gefährdungspotential beimaß. Sämtlichen privilegierten Verkaufsstellen ist gemein, dass regelmäßig nicht nur der Erwerb, sondern gerade der Konsum der alkoholischen Getränke in einem Umfeld stattfindet, das durch einen höheren Grad an sozialer Kontrolle und teilweise auch der Kontrolle durch anwesende Ordnungskräfte gekennzeichnet ist. Demgegenüber findet beim Erwerb von Alkoholika in Tankstellen und Supermärkten der Konsum häufig an Örtlichkeiten im öffentlichen Raum an so genannten Szenetreffs statt, an denen sich die Konsumenten gerade keiner derartigen Kontrolle ausgesetzt fühlen.

Vor diesem Hintergrund verletzt das angegriffene Alkoholverkaufsverbot auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Ein sachlicher Grund für die vorgenommene Differenzierung von privilegierten und nicht privilegierten Verkaufsstellen liegt gerade in dem nachvollziehbar begründeten unterschiedlichen Potential der Verkaufsstellen, zur Bildung von Szenetreffs und missbräuchlichem Alkoholkonsum sowie den mit diesem verbundenen gefährlichen Begleiterscheinungen beizutragen.

(Quelle: Bundesverfassungsgericht, Pressestelle, Pressemitteilung Nr. 92/2010 vom 12. Oktober 2010)

Die vollständige Entscheidung kann hier eingesehen werden: 1 BvR 1789/10


 

15.10.2010

Zu Rolle und Bedeutung der Kriminologie im öffentlichen demokratischen Diskurs

Eine aktuelle Schrift aus englischer Sicht

 

Description

What is the role and value of criminology in a democratic society? How do, and how should, its practitioners engage with politics and public policy? How can criminology find a voice in an agitated, insecure and intensely mediated world in which crime and punishment loom large in government agendas and public discourse? What collective good do we want criminological enquiry to promote?

In addressing these questions, Ian Loader and Richard Sparks offer a sociological account of how criminologists understand their craft and position themselves in relation to social and political controversies about crime, whether as scientific experts, policy advisors, governmental players, social movement theorists, or lonely prophets. They examine the conditions under which these diverse commitments and affiliations arose, and gained or lost credibility and influence. This forms the basis for a timely articulation of the idea that criminology’s overarching public purpose is to contribute to a better politics of crime and its regulation.

Public Criminology? offers an original and provocative account of the condition of, and prospects for, criminology which will be of interest not only to those who work in the fields of crime, security and punishment, but to anyone interested in the vexed relationship between social science, public policy and politics.

Weiteres unter:
http://www.sccjr.ac.uk/pubs/Public-Criminology/262?utm_source=Scottish+C...


 

13.10.2010

Soziale Arbeit - Risikomanagement - Gesellschaft

Internationale Fachtagung vom 1. bis 3. Dezember 2010 in Frankfurt am Main

 

Diese internationale Fachtagung befasst sich mit den Folgen der Wirtschaftskrise insbesondere mit deren Auswirkungen auf die Einrichtungen der Straffälligenhilfe durch Sparmaßnahmen, sowie mit strukturellen und organisatorischen Veränderungen.

Gravierende Straftaten in den vergangenen Jahren führten zu heftigen Auseinandersetzungen in den Medien. Wie haben sich Bewährungshilfe und Straffälligenhilfe in dieser Situation dargestellt und welche Wege soll sie in diesem Zusammenhang in der Zukunft gehen?

Die neueren Ansätze "what works", "der Risikoorientierung", der Risk- und Needs-Assessments und der Lernprogramme, werden in den europäischen Ländern mit unterschiedlicher Dringlichkeit diskutiert.
Führen diese Ansätze der Risikoorientierung zu mehr Sicherheit und besserer sozialer Integration für die Opfer und Täter?

Weitere Information unter: http://www.dbh-online.de/veranstaltungen.php?id=233


 

12.10.2010

Erzieherische Hilfen für junge Menschen

Aktuelle Destatis-Zahlen für das Berichtsjahr 2009

 

WIESBADEN - Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, hat im Jahr 2009 für rund 509 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland eine erzieherische Hilfe durch das Jugendamt oder in einer Erziehungsberatungsstelle begonnen. Das waren etwa 8 000 beziehungsweise 1,6% mehr als im Jahr 2008. Bundesweit haben somit rund 3% aller jungen Menschen unter 21 Jahren eine erzieherische Hilfe neu in Anspruch genommen.

Den größten Anteil unter allen neu gewährten erzieherischen Hilfen hatte 2009 mit 66% die Erziehungsberatung - gut 304 000 junge Menschen nahmen sie in Anspruch. Ihre Zahl ging im Vergleich zum Vorjahr um 1% zurück. Familienorientierte Hilfen haben in knapp 53 000 Familien begonnen. Gegenüber 2008 legte ihre Zahl um rund 4% zu. Mit diesen Hilfen wurden rund 102 000 Kinder und Jugendliche erreicht. Gut jedes fünfte Kind (21%), das zusammen mit seiner Familie eine Erziehungshilfe begann, hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet.

Häufiger als im Vorjahr wurden junge Menschen, die eine Erziehungshilfe neu in Anspruch nahmen, außerhalb des Elternhauses untergebracht. Für mehr als 49 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene begann eine Vollzeitpflege in einer anderen Familie, eine Heimerziehung oder eine Unterbringung in einer sonstigen betreuten Wohnform.
Das waren knapp 3 000 stationäre Hilfen mehr als im Jahr 2008 (+ 5%). Als Hauptgrund aller neu gewährten Hilfen der Vollzeitpflege gaben die Jugendämter am häufigsten die drohende Gefährdung des Kindeswohls an (24%).
Der meistgenannte Hauptgrund für den Beginn einer Heimerziehung oder sonstigen betreuten Wohnform war mit einem Anteil von 16% das dissoziale Verhalten des jungen Menschen. Dissoziales Verhalten umfasst Verhaltensauffälligkeiten wie beispielweise Isolation, Weglaufen, das Begehen von Straftaten, Drogen- oder Alkoholkonsum.

Begonnene Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen bei (drohender) seelischer Behinderung in Deutschland 2009 nach Hilfeart *)

Art der Hilfe Anzahl der Hilfen/ jungen Menschen Anteil an allen Hilfen
in %
Veränderung zum Vorjahr in %
 *) Einschließlich der Hilfen für junge Volljährige.
Hilfen zur Erziehung insgesamt (§§ 27 bis 35 SGB VIII acht) 459 932 100,0 + 1,5
davon
  Einzelhilfen 407 308 88,6 + 1,1
    Flexible Hilfe zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) 7 887 1,7 + 38,5
    Erziehungsberatung 304 297 66,2 – 1,0
    Soziale Gruppenarbeit 8 414 1,8 + 5,0
    Erziehungsbeistand/ Betreuungshelfer 25 235 5,5 + 12,3
    Erziehung in einer Tagesgruppe 9 420 2,0 + 0,7
    Vollzeitpflege in einer anderen Familie 15 048 3,3 + 4,3
    Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform 34 125 7,4 + 6,0
    Intensive Sozialpädagogische Einzelbetreuung 2 882 0,6 – 7,4
  Familienorientierte Hilfen 52 624 11,4 + 4,1
    Flexible Hilfe zur Erziehung (§ 27 SGB VIII) 11 110 2,4 – 2,3
    Sozialpädagogische Familienhilfe 41 514 9,0 + 5,9
    Anzahl der jungen Menschen in den Familien 102 096 X + 3,4
Anzahl der jungen Menschen insgesamt 509 404 X + 1,6
Eingliederungshilfe bei (drohender) seelischer Behinderung (§ 35a SGB VIII) 18 300 X + 13,9

(Quelle: Pressemitteilung des Statistischen BundesamtesNr. 359 vom 07.10.2010)

Die vollständige Pressemitteilung ist auch im Internet-Angebot des Statistischen Bundesamtes unter folgender URL zu finden:
http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Pr...

Weitere Auskünfte gibt es bei:
Zweigstelle Bonn, Stefanie Lehmann, Telefon: (0611) 75-8167,E-Mail: jugendhilfe@destatis.de

Weitere kostenlose Ergebnisse gibt es im Publikationsservice des Statistischen Bundesamtes unter
www.destatis.de/publikationen, Suchbegriff: "Erzieherische Hilfe".

 

Detaillierte Angaben zu Baden-Württemberg vermittelt ein vom Statistischen Landesamt am 6. Oktober veröffentlichter Bericht:

Kinder- und Jugendhilfe Teil I – Erzieherische Hilfen in Baden-Württemberg 2009 sowie in den Stadt- und Landkreisen

http://www.statistik-bw.de/Veroeffentl/Statistische_Berichte/3831_09001.pdf


 

11.10.2010

Jugendkriminalität und Jugendgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg

Statistik Akutell

 

Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg hat in einer kurzen Broschüre zentrale Daten über Tatverdächtigenbelastungszahlen im Jahr 2009, TVBZ in Stadt und Land, Entwicklungen seit 2000, sodann Verurteiltenzahlen und Sanktionen zusammengestellt und in Schaubildern aufbereitet.

Die Informationen können auch kostenlos als PDF-Datei herunter geladen werden unter folgender URL:
http://www.statistik-bw.de/Veroeffentl/Statistik_AKTUELL/803410007.pdf

Ergänzender Hinweis:
Informationen zum Strafvollzug in Baden-Württemberg 2009, und einige Verlaufsreihen seit 1990, werden in folgender PDF-Datei angeboten:
http://www.statistik-bw.de/Veroeffentl/Statistische_Berichte/3254_09001.pdf


 

08.10.2010

Grenzen der Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Grund und Grenzen des Freiheitsentzugs bei einem ausländischen Strafverfolgten

 

Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 16. September 2010- – 2 BvR 1608/07

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung der Festhaltung eines ausländischen Strafverfolgten im Rahmen internationaler Rechtshilfe

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste im Jahre 2003 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zur Begründung seines Asylantrags trug er im Wesentlichen vor, aufgrund seiner Aktivitäten als Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von den türkischen Behörden gefoltert und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden zu sein.
Durch die deutschen Behörden wurde zunächst festgestellt, dass in der Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen eines Abschiebeverbots wegen politischer Verfolgung vorliegen, und später auch seine Asylberechtigung anerkannt.

Im September 2006 wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines türkischen Festnahmeersuchens, ausweislich dessen er an Bombenanschlägen und Tötungsdelikten in der Türkei beteiligt gewesen sein soll, in Deutschland festgenommen und dem Amtsgericht vorgeführt. Nach einem von dort eingeholten Bericht des Landeskriminalamtes ist bei dem Beschwerdeführer ein posttraumatisches, ggf. auch hirnorganisches Psychosyndrom nach langer Haft, Folter und Hungerstreik ärztlich diagnostiziert worden, aufgrund dessen bei längerer Haft mit schweren psychischen Krisen bei ihm zu rechnen und eine Fluchtgefahr eher unwahrscheinlich sei. Nach Anhörung des Beschwerdeführers ersuchte das Amtsgericht mit nicht unterzeichnetem formularmäßigem Schreiben ohne Begründung die Justizvollzugsanstalt um Aufnahme des Beschwerdeführers zum Vollzug und ordnete mit Beschluss die ärztliche Begutachtung zur Feststellung seiner Haftfähigkeit an. Der Beschwerdeführer wurde sechs Tage später aus der Haft entlassen, nachdem seine Haftunfähigkeit ärztlich festgestellt worden war. Mit Beschluss vom Juni 2007 lehnte das Kammergericht seine Anträge auf Gewährung einer Haftentschädigung und Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Inhaftierung ab.

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die Inhaftierungsanordnung des Amtgerichts und den ablehnenden Beschluss des Kammergerichts in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Die Regelung des § 22 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sei als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Festhalteanordnung verfassungswidrig, da sie keine richterliche Sachaufklärung für die Freiheitsentziehung voraussetze. Selbst bei verfassungskonformer Auslegung fehle es an einer formell und materiell rechtmäßigen Festhalteanordnung des Amtsgerichts.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie den Beschwerdeführer in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit den Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung aus Art. 104 Abs. 1 bis 3 GG verletzen. Die Sache ist an das Kammergericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlicher Verfahren, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht. Den sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

1. Soweit der Beschwerdeführer allerdings die Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG als solche rügt, hat seine Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg. Die Vorschrift setzt zwar nach ihrem Wortlaut für die Anordnung der Festhaltung im Rahmen internationaler Rechtshilfe lediglich die richterliche Prüfung der Identität des Festgenommenen voraus, nicht aber eine Sachaufklärung des Amtsgerichts zur Prüfung der materiellen Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung. Diese ist nach § 17 IRG erst dem Oberlandesgericht vorbehalten, dem dabei keine Entscheidungsfrist gesetzt ist.

Zur Ausräumung der sich daraus ergebenden verfassungsrechtlichen Bedenken, ob ein Gericht bei Freiheitsentziehungen von einer sachlichen Prüfung überhaupt derart weitreichend freigestellt werden darf, bedarf es einer verfassungskonformen Auslegung der Regelung des § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG. So ist das Amtsgericht zumindest in Evidenzfällen verpflichtet, in summarischer Weise auch das Vorliegen eines Haftgrundes und die weiteren Haftvoraussetzungen nach dem IRG in seine Prüfung einzubeziehen. Liegt danach ein Haftgrund offensichtlich nicht vor oder ist die Auslieferung von vornherein unzulässig, muss das Amtsgericht vor seiner Entscheidung zunächst versuchen, die Sach- und Rechtslage mit der Generalstaatsanwaltschaft zu erörtern, damit diese entweder die umgehende Freilassung des Festgenommenen verfügen oder aber sachliche oder rechtliche Erkenntnisse einbringen kann. Bleiben durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Haft, über die das Oberlandesgericht nicht fristgerecht entscheiden kann, so muss das Amtgericht in erweiternder, verfassungskonformer Auslegung des § 22 Abs. 3 IRG eine Freilassungsanordnung erlassen.

2. Die beiden Fachgerichte haben sich vorliegend nicht hinreichend mit der dem Beschwerdeführer drohenden Gefahr politischer Verfolgung in der Türkei auseinandergesetzt, obwohl sich die Prüfung eines daraus folgenden Auslieferungshindernisses nach dem IRG aufdrängen musste. Denn der Beschwerdeführer war von den dafür zuständigen und sachkundigen Bundesämtern als politisch Verfolgter und Asylberechtigter anerkannt worden. Es fehlt schon an einer für den Beschwerdeführer und das Bundesverfassungsgericht nachprüfbaren Entscheidung über die Freiheitsentziehung durch das Amtsgericht, das keine schriftliche Festhalteanordnung gemäß § 22 Abs. 3 Satz 2 IRG erlassen, sondern lediglich um Aufnahme des Beschwerdeführers in die Justizvollzugsanstalt ersucht hat. Eine solche Verfahrensweise widerspricht den verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien bei Freiheitsentziehung, insbesondere dem Richtervorbehalt, und erschwert die Eröffnung der Verteidigungs- und Einwendungsmöglichkeiten des Festgenommenen.

Ebenso wenig befassen sich beide Gerichte mit der gleichermaßen naheliegenden Frage, ob im Falle des Beschwerdeführers, der über ein gesichertes Aufenthaltsrecht und eine Meldeanschrift in Deutschland verfügt, auch angesichts seines Gesundheitszustands der Haftgrund der Fluchtgefahr ausnahmsweise verneint werden kann.

Die vollständige Entscheidung kann unter folgender URL eingesehen und herunter geladen werden:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20100916_2bvr160...

(Quelle: Pressestelle des BVerfG, Pressemitteilung Nr. 91/2010 vom 5. Oktober 2010)


 

05.10.2010

Aktueller Bericht über Gefangenenraten in der Welt:

World Prison Population List 2010

 

By Roy Walmsley

This eighth edition of the World Prison Population List gives details of the number of prisoners held in 218
independent countries and dependent territories. It shows the differences in the level of imprisonment
across the world and makes possible an estimate of the world prison population total. The information is
the latest available in early December 2008.

Key Points (only selection):
* More than 9.8 million people are held in penal institutions throughout the world, mostly as pre-trial
detainees (remand prisoners) or as sentenced prisoners.

* Almost half of these are in the United States (2.29m), Russia (0.89m) or China (1.57m sentenced prisoners).
A further 850,000 are held in ‘administrative detention’ in China; if these are included the overall Chinese total
is over 2.4 million and the world total over 10.65 million.

* The United States has the highest prison population rate in the world, 756 per 100,000 of the national
population, followed by Russia (629), Rwanda (604), St Kitts & Nevis (588), Cuba (c.531), U.S. Virgin Islands
(512), British Virgin Is. (488), Palau (478), Belarus (468), Belize (455), Bahamas (422), Georgia (415), American
Samoa (410), Grenada (408) and Anguilla (401).

* Almost three fifths of countries (59%) have rates below 150 per 100,000.

* The world population in 2008 is estimated at 6,750 million (United Nations); set against a world prison
population of 9.8 million this produces a world prison population rate of 145 per 100,000 (158 per 100,000 if
set against a world prison population of 10.65 million).

More details in the PDF-File:
http://www.kcl.ac.uk/depsta/law/research/icps/downloads/wppl-8th_41.pdf


 

04.10.2010

Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe, Psychiatrie und Justiz

Indikationen, Verfahren, Alternativen und Effekte

 

Ergebnisse eines Projekts des Deutschen Jugendinstituts
Laufzeit: 01.10.2003 - 30.06.2007

Auszug aus der Ankündigung:

Nachdem in den letzten Jahren das Thema „Freiheitsentziehende Maßnahmen“ wieder verstärkt Gegenstand von Debatten und Kontroversen wurde, hat das DJI-Projekt „Freiheitsentziehende Maßnahmen - Indikationen, Verfahren, Alternativen“ (…) diese Debatte mit folgenden Schwerpunkten aufgegriffen:

* Zunächst ging es um die einer freiheitsentziehenden Maßnahme (FM) zugrunde liegenden Indikationsstellungen sowie um die rechtlichen Vorgaben und Verfahren bei FM und deren Umsetzung.

* Mit fortschreitendem Verlauf des Projekts hat sich zunehmend auch die Frage nach den „Effekten“ von geschlossener Heimunterbringung gestellt. Das Zusatzmodul „Effekte vom FM" als Verlängerung des Projekts "Freiheitsentziehenden Maßnahmen“ greift das große fachliche Interesse an diesen Fragen auf.

Unter diesen Aspekten standen im Mittelpunkt der ersten Projektphase empirische Analysen

  • der Indikationen und der Verfahren und
  • der ihnen zugrunde liegenden fachlichen und rechtlichen Prämissen und institutionellen Rahmenbedingungen
  • bei der Entscheidung für eine freiheitsentziehende Maßnahme
  • bzw. für mögliche Alternativen auf Seiten der Kinder- und Jugendhilfe (vor allem auf Seiten der fallführenden Instanzen in den Jugendämtern);
  • sowie des Zusammenwirkens zwischen Jugendämtern, freien Trägern und Familiengerichten bei der Entscheidung für bzw. gegen eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 42,3 KJHG bzw. §§ 27 und 34 KJHG i.V. mit § 1631 b BGB.

Fokussiert wurden ebenfalls

  • die Vorgeschichten und Hilfekarrieren von „besonders schwierigen“ Mädchen und Jungen und den (geschlechtsspezifischen) Indikationen,
  • mögliche Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen
  • sowie Entscheidungswege, Begründungen, strukturelle Bedingungen und Kooperationsformen zwischen Jugendhilfe, Justiz und ggf. auch Kinder- und Jugendpsychiatrie,
  • die schließlich in zeitweise geschlossene Unterbringung führten.

Das an multiperspektivisch angelegte Forschungsprojekt basiert auf folgenden Projektmodulen:

  • Modul 1: Befragungen und Dokumentenanalysen in ausgewählten Jugendämtern
  • Modul 2: Befragungen in Einrichtungen, die freiheitsentziehende Maßnahmen durchführen.
  • Modul 3: Befragung von betroffenen Jugendlichen und deren Bezugspersonen
  • Modul 4: Befragungen von Fachkräften der Kinder- und Jugendpsychiatrie
  • Modul 5: Vergabe von Expertisen zum Thema „Verfahrenspflege“

Das Modul 3 (Adressatenbefragung)wurde im Rahmen einer Projektverlängerung zum "Zusatzmodul Effekte" erweitert. Dessen Ziel war die Erfassung der kurz- und längerfristigen Effekte der Freiheitsentziehenden Maßnahmen aus der Sicht der betreuten Jugendlichen wie ihrer Bezugspersonen (Pädagogen und Eltern).

Der Bericht (2010) kann unter folgender URL herunter geladen werden.
http://dji.de/freiheitsentzug/forschung_0510_Permien_2010.pdf

Ein ausführlicher Zwischenbericht (2006) kann unter folgender URL herunter geladen werden: http://dji.de/freiheitsentzug/forschung_0906_1_FM_bericht.pdf

Zur Projektseite des DJI gelangt man unter:
http://dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=282

(Weitere) Schriften zum Projekt stehen unter:
http://dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=282&Jump1=RECHTS&Jump2...

Weiterführende Literatur findet man unter:
http://dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=282&Jump1=RECHTS&Jump2...