31.03.2009
Bundesverfassungsgericht
Beschluss vom 20. Februar 2009 – 1 BvR 2266/04 und 1 BvR 2620/05
Erfolglose Verfassungsbeschwerden eines Tierschutzvereins gegen das Verbot einer auf einem Holocaustvergleich aufbauenden Werbekampagne
Der Beschwerdeführer, ein eingetragener Verein, ist die deutsche Repräsentanz der weltweiten Tierschutzorganisation "P.". Im März 2004 wollte der Beschwerdeführer eine Werbekampagne unter dem Titel "Der Holocaust auf Ihrem Teller" beginnen. Dabei sollte unter anderem auf Plakatwänden jeweils ein Foto aus dem Bereich der Massentierhaltung neben einer Abbildung von lebenden oder toten Häftlingen von Konzentrationslagern aus der Zeit des Nationalsozialismus gezeigt werden. Die Darstellungen sollten jeweils mit einer kurzen Beschriftung versehen werden, die so angelegt war, dass sie vom Betrachter als auf beide Fotografien gleichermaßen bezogen angesehen werden musste. Die Kläger der Ausgangsverfahren waren seinerzeit der Präsident und die Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, die als Kinder den Holocaust, dem ihre Familien teilweise zum Opfer fielen, überlebten. Sie beantragten beim Landgericht gegen den Beschwerdeführer eine einstweilige Unterlassungsverfügung, der entsprochen wurde. Die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers verwarf das Kammergericht. Die Kläger verfolgten ihr Unterlassungsbegehren sodann im Hauptsacheverfahren erfolgreich weiter. Die eingelegte Berufung des Beschwerdeführers gegen das stattgebende Urteil des Landgerichts wies das Kammergericht mit Beschluss zurück.
Der Beschwerdeführer griff sowohl die im Eilverfahren als auch die im Hauptsacheverfahren ergangenen Entscheidungen mit der Verfassungsbeschwerde an. Die 1. Kammer des Ersten Senats hat beide Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Hinsichtlich des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens hat sie darauf abgestellt, dass dem Beschwerdeführer durch die Versagung einer Sachentscheidung kein besonders schwerer Nachteil entsteht, weil deutlich abzusehen ist, dass er auch im Fall einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde.
Allerdings begegnet die Begründung, auf die das Landgericht und im Anschluss daran das Kammergericht den Unterlassungsanspruch der Kläger stützen, verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gerichte gehen davon aus, dass die Kläger als frühere Verfolgte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch die Kampagne des Beschwerdeführers in ihrer Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen seien. Infolge dieser Auffassung halten die Gerichte es nicht für erforderlich, die Rechte der Kläger einerseits und die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers andererseits abwägend zueinander ins Verhältnis zu setzen.
Zwar gehen die Gerichte zu Recht davon aus, das maßgebliche verständige und unvoreingenommene Publikum verstehe die Gegenüberstellung der Fotografien dahingehend, dass das den abgebildeten Tieren zugefügte Leid als ebenso schwerwiegend wie das der daneben ins Bild gesetzten Menschen und beider Behandlung als gleichermaßen verwerflich hingestellt werde. Jedoch dürfte durch die so verstandene Äußerung weder unmittelbar die Menschenwürde der abgebildeten Menschen noch die der Kläger in der von den Fachgerichten angenommenen Weise verletzt sein mit der Folge, dass es auf eine weitere Abwägung nicht mehr ankommen würde. Es steht zwar außer Frage, dass die Fotografien der Holocaustopfer diese fast ausnahmslos in einer Situation zeigen, in der sie durch ihre Peiniger in höchstem Maße entwürdigt sind. Daraus, dass die Kampagne sich bildlicher Darstellungen schwerer Menschenwürdeverletzungen bedient, folgt aber nicht ohne weiteres, dass sie auch ihrerseits bezogen auf die heute in Deutschland lebenden Juden erneut unmittelbar gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstößt.
Nach der sogenannten Objektformel des Bundesverfassungsgerichts wird die Schwelle zur allgemeinen Verletzung der Menschenwürde dort überschritten, wo der Mensch einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt und daher Ausdruck der Verachtung des dem Menschen kraft seines Personseins zukommenden Wertes ist. Dies ist der angegriffenen Kampagne aber nicht eigen. Insbesondere wird den dargestellten Holocaustopfern nicht der personale Wert abgesprochen, indem sie in der vorliegenden Art und Weise leidenden Tieren gegenübergestellt werden. Mag auch der Beschwerdeführer generell von der Gleichwertigkeit menschlichen und tierischen Lebens überzeugt sein, so liegt in der geplanten Bildkampagne nach der von den Fachgerichten zugrunde gelegten Deutung keine verächtlich machende Tendenz. Als gleich gewichtig wird nämlich allein das Leiden dargestellt, das den abgebildeten Menschen und Tieren zugefügt wird.
Auch die weitere von den Fachgerichten angestellte Erwägung, der Beschwerdeführer benutze das bildlich dargestellte leidvolle Schicksal der Holocaustopfer, das von den Klägern in gewissem Umfang geteilt wird, um auf das Anliegen des Beschwerdeführers aufmerksam zu machen, trägt die Annahme eines Menschenwürdeverstoßes nicht. Denn auch dieser Indienstnahme der leidvollen Lebensgeschichte eines anderen Menschen ehlt es an dem Merkmal der prinzipiellen Objektivierung, also Verachtung des dem Menschen um seiner selbst willen zukommenden Wertes.
Indes braucht die Frage, ob die Gerichte vorliegend von einer Verletzung der Menschenwürde oder des ebenfalls keiner Abwägung zugänglichen Menschenwürdekerns des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgehen durften, nicht abschließend entschieden zu werden, weil die Annahme der Verfassungsbeschwerde unabhängig davon nicht angezeigt ist. Der den Klägern zugesprochene Unterlassungsanspruch lässt sich nämlich verfassungsrechtlich tragfähig auch ohne den zweifelhaften Rekurs auf die absolut geschützte Menschenwürde begründen und den angegriffenen Entscheidungen ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Gerichte im Fall einer Zurückverweisung zu keinem anderen Ergebnis kommen würden.
Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die angegriffenen Entscheidungen darauf abstellen, dass nicht nur nach der - empirischen - Mehrheitsmeinung, sondern nach den Bestimmungen des Grundgesetzes ein kategorialer Unterschied zwischen menschlichem, würdebegabtem Leben und den Belangen des Tierschutzes besteht, und infolgedessen die Kampagne des Beschwerdeführers als eine Bagatellisierung und Banalisierung des Schicksals der Holocaustopfer bewerten. Dem so verstandenen Aussagegehalt der Werbekampagne durften die Gerichte auch eine Herabsetzung gerade der Kläger des Ausgangsverfahrens entnehmen, die deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG berührt. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn die Fachgerichte in der Leugnung der Judenverfolgung unter dem Nationalsozialismus eine schwere Persönlichkeitsverletzung auch der heute lebenden Juden erblicken. Die Erwägung, dass es zum personalen Selbstverständnis der heute in Deutschland lebenden Juden gehöre, als zugehörig zu einer durch das Schicksal herausgehobenen Personengruppe begriffen zu werden, der gegenüber eine besondere moralische Verantwortung aller anderen bestehe, und dass dieses Teil ihrer Würde sei, lässt sich auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen.
Namentlich die in den angegriffenen Entscheidungen bereits enthaltenen Ansätze zu einer Abwägung sprechen hinreichend deutlich dafür, dass die Gerichte im Fall einer Zurückverweisung mit dieser Argumentation erneut zu einer Stattgabe gelangen würden.
(Quelle: Pressemitteilung der Pressestelle des BVerfG, Nr. 29/2009 vom 26. März 2009; hier technisch leicht modifziert)
30.03.2009
Adolescent stalking: offence characteristics and effectiveness of intervention orders
Rosemary Purcell, Teresa Flower and Paul E Mullen
Trends & issues in crime and criminal justice no. 369
http://www.aic.gov.au/publications/tandi2/tandi369.html
This paper examines the nature of stalking among adolescents to determine the characteristics of stalkers and their victims and the utility of intervention orders for managing this behaviour. Unlike adult stalking which is usually motivated by rejection, adolescent stalking most often occurs in the context of bullying. There is not yet sufficient evidence to establish the effectiveness of intervention orders.
Kate Warner, Julia Davis, Maggie Walter, Rebecca Bradfield and Rachel Vermey
Trends & issues in crime and criminal justice no. 371
http://www.aic.gov.au/publications/tandi2/tandi371.html
The disconnect between public opinion and reality in offending and sentencing is well understood, but jurors are members of the public with a more informed view of sentencing. The study reported here examined the value of using jurors to help the justice system understand public opinion about sentencing and to inform the public on crime and sentencing issues. While there is evidence that participation in a jury increases confidence in the criminal justice system, the study found that pre-existing perceptions about lenient sentencing may be difficult to change. However, surveying jurors is a recommended as an option for gauging informed public opinion about sentencing.
Colleen Bryant
Trends & issues in crime and criminal justice no. 368
http://www.aic.gov.au/publications/tandi2/tandi368.html
The probability that a young person will have exposure to pornography prior to the age of 18 - the legal age in Australia at which it is permissible to view and purchase such materials - is very high. Parents and policy makers are concerned that this is changing the nature of sexual attitudes, behaviours and intimate relationships and potentially contributing to sexual violence in society. The extent to which it is, is difficult to determine, owing to the scarcity of adolescent-based research and differing conceptions of harm. This paper examines the many factors that underpin pornography exposure, and stresses how the risk factors for exposure and problematic sexual behaviours intersect to contribute to harm.
27.03.2009
Im Jahr 2007 wurden vom BKA und den Landespolizeidienststellen 9.563 Korruptionsstrafta-ten und damit 38 % mehr als im Vorjahr (6.895) registriert. Der Anstieg der Fallzahlen ist auf mehrere Großverfahren mit einer Vielzahl festgestellter Einzelstraftaten zurückzuführen. So wurden in einem in Berlin geführten Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Führer-scheinprüfungen nahezu 3.500 Einzelstraftaten erfasst.
Die Anzahl der Ermittlungsverfahren ist dagegen gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant geblieben: 1.599 Ermittlungsverfahren wurden im Jahr 2007 gemeldet; 2006 waren es 1.609.
Bei den so genannten Begleitdelikten, also den direkt mit Korruptionsstraftaten zusammen-hängenden Straftaten (z. B. Betrugs- und Untreuehandlungen, Urkundenfälschung, Strafverei-telung), wurde im Jahr 2007 mit 1.478 Straftaten (2006: 1.776) der niedrigste Wert in den vergangenen fünf Jahren registriert.
Im Zusammenhang mit Korruptionsstraftaten wurden insgesamt 2.323 Tatverdächtige polizei-lich bekannt, davon 1.218 Korrumpierende (so genannte „Geber“) und 1.105 Korrumpierte (so genannte „Nehmer“).
Die Tatverdächtigen sind den unterschiedlichsten Berufsgruppen und Branchen zuzuordnen; Schwerpunkte liegen wie im Jahr 2006 bei den Gebern im Bau- und Dienstleistungsgewerbe sowie bei den Nehmern im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Bei den Vorteilen auf der Nehmerseite bilden wie in den Vorjahren Sachzuwendungen und Zuwendungen von Bargeld den Schwerpunkt. Das bevorzugte Zielfeld korruptiven Handelns auf der Geberseite lag, e-benso wie in den Vorjahren, im Bereich „Erlangung von Aufträgen“.
Bewertung und Ausblick
Im Jahr 2007 ist, gemessen an den gemeldeten Ermittlungsverfahren, keine gravierende Ände-rung der Korruptionslage in Deutschland feststellbar. Der Anstieg der Fallzahlen ist durch mehrere Großverfahren mit einer Vielzahl festgestellter Einzelstraftaten zu erklären. Gleich-wohl ist - nicht zuletzt durch die mediale Darstellung herausragender nationaler und internati-onaler Korruptionsfälle - eine zunehmende Sensibilität und gesteigerte Wahrnehmung für das Phänomen und dessen schädliche Auswirkungen zu erkennen. Dies zeigt sich z. B. in der stei-genden Zahl der Einrichtung so genannter Compliance-Bereiche in den Unternehmen. Die Tatsache, dass statistisch gesehen die öffentliche Verwaltung schwerpunktmäßig von Korrup-tion betroffen ist, ist auch darauf zurückzuführen, dass dort mittlerweile flächendeckend Anti-Korruptionsprogramme und entsprechende Kontrollsysteme eingeführt wurden.
Positiv ist zu werten, dass der überwiegende Anteil der Verfahren wie in den Vorjahren auf Grund externer Hinweise eingeleitet wurde. Dies zeigt, dass die Bereitschaft zur Anzeige von Korruptionsstraftaten weiter anhält und die diesbezüglichen Sensibilisierungsmaßnahmen Wirkung zeigen.
Durch das Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes am 01.01.2008 wurden die Delikte Bestechung und Bestechlichkeit (§§ 332, 334 StGB) sowie Bestechung und Bestechlichkeit im wirtschaftlichen Verkehr (§ 299, unter der Voraussetzung des § 300 Satz 2 StGB) in den Straftatenkatalog des Paragrafen 100 a der Strafprozessordnung (StPO) aufgenommen.
Dies hat die Ermittlungsmöglichkeiten bei der Bekämpfung der Korruptionskriminalität ver-bessert und neue Wege der Beweisführung eröffnet. Inwieweit sich dies bereits im Jahr 2008 statistisch auswirkt, bleibt abzuwarten.
BKA-Präsident Jörg Ziercke: „Wettbewerbsverzerrung, Verlust von Arbeitsplätzen, Reputati-onsverluste ganzer Wirtschaftszweige bis hin zu Vertrauensverlusten in die Funktionsfähig-keit der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung – Korruption hat weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen. Ermittlungen gegen internationale Korruptions-geflechte zeigen zudem, dass die Gewinnspannen in diesem Deliktsfeld enorm hoch sind.“
Im Rahmen der BKA-Herbsttagung vom 12.-14.11.2008, die sich in diesem Jahr dem Thema „Wirtschaftskriminalität und Globalisierung“ widmet, werden Sicherheitsexperten, Vertreter von Polizei, Justiz, Forschung und Lehre bei der Behandlung bedeutender Phänomene der Wirtschaftskriminalität auch auf das Deliktsfeld Korruption eingehen.
Weitere Einzelheiten zur BKA-Herbsttagung finden Sie auf der Homepage des BKA, www.bka.de unter Veranstaltungen, sowie zum Lagebild Korruption unter Berichte und Sta-tistiken --> Kriminalitätslage.
Quelle: BKA-Mitteilungen
Hpyerlink zum Bundeslagebild Korruption 2007: http://bka.de/lageberichte/ko/blkorruption2007.pdf
26.03.2009
The American Society of Criminology journal Criminology & Public Policy (CPP) is planning a special issue on “The Global Economy, Economic Crisis, and White-Collar Crime.” Authors are invited to submit papers by August 1, 2009 for possible inclusion in the issue. Submissions will be peer reviewed and must conform to the journal’s guidelines, which are available at cpp.fsu.edu. Three to five papers will be selected for inclusion. Once notified, authors of accepted manuscripts will have a limited time in which to make revisions. Additional information about the special issue can be requested from the Special Issue Senior Editor Neal Shover (Department of Sociology, University of Tennessee), nshover@utk.edu.
Authors should be aware that the central objective of CPP is to strengthen the role of research findings in the formulation of crime and justice policy by publishing empirically based, policy-focused articles. Authors are encouraged to submit papers that contribute to a more informed dialogue about policies and their empirical bases. Most academic journals look for papers that have comprehensive literature reviews, provide detailed descriptions of methodology, and draw implications for future research. In contrast, CPP seeks papers that offer literature reviews more targeted to the problem at hand, provide efficient data descriptions, and include a more lengthy discussion of the implications for policy and/or practice. The preferred paper describes the policy/practice at issue, the significance of the problem being investigated, and the associated policy relevant implications. This introduction is followed by a description and critique of pertinent previous research specific to the question at hand. The methodology is briefly described, referring the reader to other sources if available. The presentation of the results includes only those tables and graphs necessary to make central points (additional descriptive statistics and equations are provided in appendices). The paper concludes with a full discussion of how the study either provides or fails to provide empirical support for current, modified, or new policies or practices.
Authors should submit papers directly to the CPP editorial office (cpp@fsu.edu) as a single Microsoft Word (“doc”) e-mail attachment. Be sure to note in your e-mail that the manuscript is intended for Special Issue consideration.
25.03.2009
Der Deutsche Bundestag berät heute mit dem Ziel der Verabschiedung den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anhebung der Höchstgrenze eines Tagessatzes bei Geldstrafen. Auf Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries wird das Gericht künftig einen Tagessatz in Höhe von max. 30 000 Euro - statt wie bisher 5000 Euro - verhängen können.
"Mit dem Gesetz stellen wir sicher, dass es auch in Zukunft kein Gerechtigkeitsdefizit im Bereich der Geldstrafen gibt. Nach unserem Tagessatzsystem sollen Täter mit einem hohen Einkommen Geldstrafen genauso schwer treffen wie einen Normalverdiener. Diese sogenannte Belastungsgleichheit ist aber nicht mehr gewährleistet, wenn das tägliche Nettoeinkommen die bislang geltende Obergrenze von 5000 Euro übersteigt. Mit der Anhebung des Höchstsatzes auf 30 000 Euro wird künftig eine Geldstrafe für jedermann wieder gleichermaßen spürbar sein. Auch Spitzenverdiener, die sich wie auch immer strafbar machen - bei der Führung von Unternehmen genauso wie im Straßenverkehr - werden in Zukunft angemessen erfasst. Nach wie vor gilt aber, dass bei besonders schweren Straftaten eine Freiheitsstrafe verhängt werden muss", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Nach dem Tagessatzsystem wird die Zahl der Tagessätze mit der Höhe des einzelnen Tagessatzes multipliziert. Die Anzahl der Tagessätze spiegelt den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat wider. Das Gericht kann bei einer Einzeltat maximal 360 und bei mehreren Taten maximal 720 Tagessätze verhängen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes bemisst sich hingegen nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. Ein Tagessatz entspricht daher in der Regel dem Nettoeinkommen, das dem Täter durchschnittlich an einem Tag zur Verfügung steht. Die Tagessatzhöhe liegt seit 1975 unverändert bei max. 5000 Euro. Aus der vorgesehenen Versechsfachung der Tagessatzobergrenze ergibt sich, dass als höchste mögliche Geldstrafe zukünftig ein Betrag von 10,8 Millionen Euro bei einer Einzeltat und 21,6 Millionen Euro bei mehreren Taten verhängt werden kann; die bisherigen Höchstgrenzen liegen bei 1,8 bzw. 3,6 Millionen Euro.
Beispiele:
Nach der bisherigen Regelung wäre es in beiden Fällen lediglich möglich gewesen, den Tagessatz auf die Höchstgrenze von 5.000 Euro festzusetzen, so dass die Geldstrafe im ersten Fall 1,5 Millionen Euro und damit weniger als drei Monatseinkommen des Täters betragen hätte. Im zweiten Fall ("Tatmehrheit") wäre er zur Zahlung von 2,25 Millionen Euro verurteilt worden - weniger als fünf seiner Monatseinkommen.
Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts hat sich die Zahl der Personen, deren Einkommen deutlich über der geltenden Tagessatzhöchstgrenze von 5.000 Euro liegt, mehr als verachtfacht. So hatten 1974 lediglich 88 Steuerpflichtige Gesamtbruttoeinkünfte von 10 Millionen DM oder mehr, während der in etwa vergleichbare Eurobetrag von 5 Millionen Euro, der einem Tagesbruttoeinkommen von fast 14.000 Euro entspricht, im Jahr 2003 bereits von 719 Steuerpflichtigen erreicht oder überschritten wurde.
Quelle: Pressemeldung vom 19.3.2009.Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit desBundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer; Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Dr. Katharina Jahntz, Harald Schütt, Ulrich Staudigl
Mohrenstr. 37, 10117 Berlin, Telefon 01888 580-9030, Telefax 01888 580-9046, presse@bmj.bund.de
24.03.2009
Kolloquium am Mittwoch, dem 6. 5. 2009 um 17:00 Uhr s.t. im Kleinen Senat der Universität Tübingen
(Neue Aula, Wilhelmstr. 7, 72074 Tübingen, I. Stock).
Gegenstand: Seit dem Pariser Kongress im Jahre 1900 hat die Rechtsvergleichung als wissenschaftliche Disziplin eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Sie lieferte die Grundlagen globaler und supranationaler Rechtsvereinheitlichung und lenkte nationale Gesetzgeber bei höchst unterschiedlichen Reformprojekten. Die Rechtsvergleichung ist als selbständiger Bestandteil des Kurrikulums juristischer Fakultäten nicht mehr wegzudenken und gewinnt darüberhinaus zunehmenden Einfluss auf den Unterricht in den traditionell „nationalen“ Kernfächern. Gleichzeitig geben jedoch die Einsichten der Sozial-, Verhaltens- und Geisteswissenschaften Anlass, Methodik und Anspruch juristischer Komparatistik zu reflektieren.
Das Kolloquium zielt vor dem Hintergrund immer ambitionierterer Rechtsvereinheitlichung, der zunehmenden Verbreitung von legal transplants etc. darauf ab, die Methoden zeitgenössischer Rechtsvergleichung herauszuarbeiten und ihr Potential für die Herausforderungen der Disziplin im 21. Jahrhundert auszuleuchten. So besteht beispielsweise Anlass zu der Frage, inwieweit die Analyseinstrumentarien der konsequentialistischen Sozialwissenschaften – insbesondere der Ökonomik – die Methodik der Rechtsvergleichung ergänzen oder gar ablösen können. Aus kritischer Perspektive kann überprüft werden, inwieweit das Ziel des Verstehens fremder Rechtskulturen durch postmoderne Theorie in Frage gestellt ist. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist es interessant, wie jenseits der klassichen Normwissenschaften heute Komparatistik betrieben wird. Bestehen Berührungspunkte für einen fruchtbaren Dialog mit den Geisteswissenschaften und wieweit könnte ein solcher Austausch reichen?
Das Kolloquium bringt herausgehobene Vertreter der vergleichenden Disziplinen zusammen, die ihre Auffassung der Komparatistik referieren und zur Diskussion stellen werden.
Aus Sicht der vergleichenden Literaturwissenschaft wird dabei Prof. Dr. Jürgen Wertheimer, Eberhard- Karls-Universität, Lehrstuhl für Komparatistik/Neuere Deutsche Literaturwissenschaft, auf die Vorträge antworten.
Referenten:
Dr. Susanne Beck, LL.M. (LSE) : Geb. 1977, Studium der Rechtswissenschaften und Erstes Juristisches Staatsexamen an der Universität Würzburg (2000). Referendariat in Schweinfurt, Würzburg und Sydney (Australien) (2001-2003). Promotion zum Thema „Stammzellforschung und Strafrecht – zugleich eine Bewertung der Verwendung von Strafrecht in der Biotechnologie“ (Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Universität Würzburg, Graduiertenkolleg Bioethik, Universität Tübingen, 2003-2006). Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik (Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, 2004-2008). Masterstudium an der London School of Economics mit dem Schwerpunkt „Theory of Comparative Law“ (2006/07). Tätigkeit als Ass. Professor im Bereich „Hong Kong Business Law“ am United International College in Zhuhai (China) (2007-2008). Wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik bei Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Universität Würzburg (seit 2008).
Dr. Phillip Hellwege, M.Jur. (Oxford): Geb. 1971. Studium der Rechtswissenschaften in Regensburg und Aberdeen (1992-1997). Studium zum „Magister Juris in European and Comparative Law“ am Balliol College, Oxford (1997-1998). Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Römisches Recht und Rechtsvergleichung, Regensburg (1998-1999). Rechtsreferendariat in Aachen und Glasgow (2000-2002). Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte, Köln (1999-2003). Promotion, Regensburg (Wintersemester 2003/4). Arbeitsgemeinschaftsleiter an der Fakultät für Rechtswissenschaft, Universität Hamburg (2005-2007). Seit 2003 am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Deutsches und europäisches Privatrecht, Rechtsvergleichung und Rechtsgeschichte.
Jun.-Prof. Dr. Patrick C. Leyens, LL.M. (London): Geb. 1974. Juristische Staatsprüfungen, Köln und Hamburg mit Stationen in New York und Sydney (1999/2007). LL.M. International Business Law, London (2000). Promotion bei Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt, Universität Hamburg (2006). Wiss. Mitarbeiter (2001-2006) und wiss. Referent (2006-2007), Max-Planck- Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg. Ruf als Jun.-Prof. für Zivilrecht und ökonomische Analyse des Rechts, Universität Hamburg (2007). Sachverständiger für Bundesministerium der Finanzen (2007/08). Vice-coordinator European Doctorate in Law and Economics, University of Hamburg (seit 2009). Sekretär, Deutscher Juristentag, Abteilung Wirtschaftsrecht (2009/10). Auszeichnungen: Schmitthoff Essay Competition, Pace University, N.Y. (2002), Otto-Hahn-Medaille, Max-Planck- Gesellschaft (2006), Hochschulpreis, Deutsches Aktieninstitut (2007), Siemers-Wissenschaftspreis, Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung (2008). Forschungsinteressen: Deutsches und europäisches Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, insbesondere Corporate Governance, ökonomische Analyse des Rechts und Rechtsvergleichung.
Respondent:
Prof. Dr. Jürgen Wertheimer, Eberhard-Karls-Universität, Lehrstuhl für Komparatistik/Neuere deutsche Literaturwissenschaft.
--
Das Forum Junge Rechtswissenschaft ist eine Initiative der Habilitierenden der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen. Es bietet Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern eine Plattform, Forschungsprojekte in allen - auch in frühen - Stadien zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen. Der angestrebte Diskurs reflektiert die Methodenvielfalt wie sie in jüngerer Zeit in der Rechtswissenschaft zu beobachten ist. Die in den Blick genommene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Recht umgreift daher dessen dogmatische Durchdringung ebenso wie die Untersuchung rechtlicher Zusammenhänge mit Hilfe interdisziplinäre Ansätze, die versuchen außerrechtliche Analyseinstrumentarien für die aufgeworfenen Fragestellungen fruchtbar zu machen. Das Forum Junge Rechtswissenschaft steht daher sowohl Juristen wie auch Forscherinnen und Forschern anderer Disziplinen offen, die sich mit den verschiedensten Aspekten des geschriebenen und des gelebten Rechts beschäftigen. Es entspricht der zunehmenden überstaatlichen Einbindung nationaler Rechtsordnungen und der häufig grenzüberschreitenden Dimension rechtlicher Regulierung, dass auch der wissenschaftliche Diskurs diese Entwicklung aufgreift. Das Forum Junge Rechtswissenschaft bindet daher auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausländischer Forschungsinstitutionen ein.
Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Christoph Burchard , Iris Kemmler oder Tobias Tröger , oder schicken Sie eine Email an fjr(at)jura.uni-tuebingen.de
Das aktuelle Programm des Forums finden sie hier
16.03.2009
The American Society of Criminology journal Criminology & Public Policy (CPP) is planning a special issue on ?The Global Economy, Economic Crisis, and White-Collar Crime.? Authors are invited to submit papers by August 1, 2009 for possible inclusion in the issue. Submissions will be peer reviewed and must conform to the journal?s guidelines, which are available at cpp.fsu.edu. Three to five papers will be selected for inclusion. Once notified, authors of accepted manuscripts will have a limited time in which to make revisions. Additional information about the special issue can be requested from the Special Issue Senior Editor Neal Shover (Department of Sociology, University of Tennessee), nshover@utk.edu.
Authors should be aware that the central objective of CPP is to strengthen the role of research findings in the formulation of crime and justice policy by publishing empirically based, policy-focused articles. Authors are encouraged to submit papers that contribute to a more informed dialogue about policies and their empirical bases. Most academic journals look for papers that have comprehensive literature reviews, provide detailed descriptions of methodology, and draw implications for future research. In contrast, CPP seeks papers that offer literature reviews more targeted to the problem at hand, provide efficient data descriptions, and include a more lengthy discussion of the implications for policy and/or practice. The preferred paper describes the policy/practice at issue, the significance of the problem being investigated, and the associated policy relevant implications. This introduction is followed by a description and critique of pertinent previous research specific to the question at hand. The methodology is briefly described, referring the reader to other sources if available. The presentation of the results includes only those tables and graphs necessary to make central points (additional descriptive statistics and equations are provided in appendices). The paper concludes with a full discussion of how the study either provides or fails to provide empirical support for current, modified, or new policies or practices.
Authors should submit papers directly to the CPP editorial office (cpp@fsu.edu) as a single Microsoft Word (?doc?) e-mail attachment. Be sure to note in your e-mail that the manuscript is intended for Special Issue consideration.
16.03.2009
Zusammenfassung:
Hohe Aufklärungs- und Verurteilungsraten wirken abschreckend. Die Art der Strafe und die Härte des Urteils beeinflussen die Kriminalitätsentwicklung hingegen kaum. Entsprechend führt die zunehmende Zahl von Verfahrenseinstellungen tendenziell zu einem Anstieg der Kriminalität. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer heute vom DIW Berlin vorgestellten Studie.
„Strafverfolgung wirkt – und zwar dann, wenn auf die Straftat eine Verurteilung folgt“, sagte Professor Hannes Spengler (Fachhochschule Mainz) - gemeinsamer Autor der DIW-Studie mit Professor Horst Entorf (Goethe-Universität Frankfurt). „Unsere Analyse liefert jedoch keine Begründung für härtere Strafgesetze oder mehr und längere Haftstrafen."
Die vom DIW Berlin und der Goethe-Universität Frankfurt erarbeitete Studie ist die bisher umfassendste Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Strafverfolgung und Kriminalität in Deutschland. Sie räumt mit mehreren gängigen Vorurteilen auf: So kann die Hypothese, dass die Abschreckungswirkung von Strafe und Strafverfolgung eher gering ist, ebenso wenig aufrechterhalten werden wie die Annahme, besonders harte Strafen wirkten besonders abschreckend.
Details:
Die Studie ist so etwas wie eine Wirkungsbilanz der vor genau 40 Jahren beschlossenen Großen Strafrechtsreform von 1969. Tatsächlich hat die Reform zu einem tiefgreifenden Wandel in der deutschen Strafverfolgung geführt. Haftstrafen werden seitdem nur noch als letztes Mittel der Strafrechtspolitik gesehen. Parallel stieg der Anteil der Geldstrafen sowie der zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafen. Als Folge dieser Politik sank der Anteil der zu Haftstrafen ohne Bewährung Verurteilten an allen Verurteilten von 39 Prozent 1950 auf 8,3 Prozent 2006.
„Die Verurteilung ist der entscheidende Schlüssel“
Diese Entwicklung weg von Haftstrafen und hin zu Geld- und Bewährungsstrafen hat nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt, so die DIW-Studie. „Es kommt also weniger darauf an, wie bestraft wird, sondern dass überhaupt eine Verurteilung der Straftäter erfolgt,“ so Hannes Spengler. „Dieser Trend erspart uns zugleich die hohen sozialen Kosten, die mit Haftstrafen verbunden sind – denn Haftstrafen führen zu sozialer Ausgrenzung und einem Anwachsen des „kriminellen Kapitals“ in den Haftanstalten.“
Diversion gehört auf den Prüfstand
Gleichzeitig wurde mit der Strafrechtsreform der Ermessensspielraum der Strafverfolgungsbehörden erweitert – im Rahmen der so genannten Diversion werden bei leichten und mittleren Delikten immer mehr Verfahren eingestellt, bevor es zu einem gerichtlichen Strafverfahren kommt. Der Anteil der durch ein formelles Urteil sanktionierten Tatverdächtigen an allen Sanktionierten (formell und informell) ging von 64 Prozent 1981 auf 43 Prozent 2006 zurück.
Für den größten Teil der Verfahrenseinstellungen ist die Staatsanwaltschaft verantwortlich. Sie gibt den Impuls, welche Verfahren eingestellt oder außergerichtlich geregelt werden. Die entscheidende Rolle der Staatsanwaltschaft zeigt sich exemplarisch beim Vergleich zwischen Schleswig-Holstein und Bayern: Während die Wahrscheinlichkeit, wegen Diebstahls oder Körperverletzung bestraft zu werden, in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten kontinuierlich zurückgeht, ist sie in Bayern weitgehend stabil.
Der offenbar direkte Zusammenhang zwischen der Intensität der Strafverfolgung und der Zahl der verübten Straftaten stellt den Sinn der Diversion in Frage, sagte DIW-Experte Hannes Spengler. „Die Politik einer immer größeren Zahl von Verfahrenseinstellungen gehört dringend auf den Prüfstand“, so Spengler. „Wir erreichen damit offenbar das Gegenteil dessen, was ursprünglich beabsichtigt war – nämlich mehr und nicht weniger Straftaten. Inwieweit die eingesparten Justizkosten die Diversion rechtfertigen können, muss weiter untersucht werden. Denn den geringeren Justizkosten müssen die höheren Opferkosten durch höhere Kriminalität gegenübergestellt werden“, so Spengler weiter.
US-Modell für Deutschland unbrauchbar
Die Ergebnisse der vom DIW Berlin veröffentlichten Studie sind auch vor dem Hintergrund völlig unterschiedlicher Wege in der Kriminalpolitik in Europa und den USA relevant. So begegneten die USA einer steigenden Kriminalitätsrate seit den 70er Jahren durch härtere Strafen und höhere Inhaftierungsquoten. Gerade Rückfalltäter werden in manchen Bundesstaaten drakonisch bestraft und verschwinden zum Teil auch für kleinere Delikte wie Diebstahl lebenslänglich hinter Gittern („three strikes and you’re out“). Die Folge war ein Anstieg der US-Haftquote um über 220 Prozent in den Jahren 1980 bis 2000.
Im Jahr 2006 waren 738 von 100.000 US-Bürgern in Haft – so viel wie in keinem anderen Land der Welt. In Deutschland waren es nur 95. Ganz unabhängig von ethischen und sozialpolitischen Fragen belegt die DIW-Studie jetzt: "Das US-Modell langer und harter Haftstrafen wäre für Deutschland allein deshalb nicht geeignet, weil es nicht wirkt. Das Ergebnis wären überfüllte Gefängnisse, höhere Kosten, aber kein signifikanter Rückgang der Kriminalität", sagte Spengler.
Methodik: Umfassendste Studie zu 40 Jahren Strafrechtsreform
Die vom DIW Berlin veröffentlichte Studie untersucht erstmals umfassend für Deutschland den Zusammenhang zwischen Strafverfolgung und Kriminalitätsentwicklung für einen langen Zeitraum seit Inkrafttreten der großen Strafrechtsreform von 1969. Dafür wurden sämtliche zwischen 1977 und 2001 erfassten Delikte in den wichtigsten Straftatbeständen (Diebstahl, Raub, Körperverletzung, Mord und Totschlag) analysiert und zunächst untersucht, ob die Straftaten aufgeklärt wurden. Anschließend wurde betrachtet, wie die aufgeklärten Fälle verfolgt wurden und ob und wie die Täter bestraft wurden. Das so gewonnene System von Strafverfolgungsindikatoren wurde dann mittels moderner statistischer Methoden zum Kriminalitätsaufkommen in Beziehung gesetzt.
Die Analyse stützt sich auf die polizeiliche Kriminalstatistik sowie die Strafverfolgungsstatistik. Die Ergebnisse gelten übergreifend für Eigentums- und Gewaltdelikte und den Bereich des Erwachsenen- und Jugendstrafrechts.
Hintergrundinformationen:
Wie hat sich die Kriminalitätsrate in Deutschland entwickelt?
Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit Eigentums- und Gewaltdelikten und vergleicht die Entwicklung bei Diebstahl (getrennt nach einfachem und schwerem Diebstahl) und verschiedenen besonders bedeutsamen Gewaltdelikten (Raub, einfache und schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Mord und Totschlag). Betrugsdelikte oder Wirtschaftskriminalität wurden nicht untersucht.
Bei Diebstahl stieg die Zahl der gemeldeten Fälle von 1638 Fällen pro 100.000 Einwohnern 1963 auf 4860 Fälle 1992 und ging bis zum Jahr 2007 auf 3107 Fälle pro 100.000 Einwohner zurück (alte Bundesländer zuzüglich Gesamt-Berlin). Die Zahlen für Ostdeutschland haben sich von einem Spitzenwert von 6591 im Jahr 1993 inzwischen dem westdeutschen Niveau angenähert.
Bei den untersuchten Gewaltdelikten hat es seit den 60er Jahren einen nahezu stetigen Anstieg der registrierten Straftaten gegeben – von einer Phase der Stagnation in den 80er Jahren abgesehen. Der starke Anstieg von rund 80 Straftaten pro 100.000 Einwohner 1963 auf 272 Fälle 2007 (alte Bundesländer zuzüglich Gesamt-Berlin) ist vor allem auf einen starken Anstieg der Fallzahlen bei Raub und Körperverletzung zurückzuführen. Die Fallzahlen bei Mord und Totschlag blieben hingegen weitgehend konstant.
Warum beschäftigen sich ausgerechnet Ökonomen mit dem Thema Kriminalität?
Kriminalität verursacht einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden. Und wenn es um volkswirtschaftliche Schäden, deren Entstehung und Analyse zum Beispiel in Form von Kosten-Nutzen-Analysen geht, sind (auch und insbesondere) Volkswirte gefragt.
Außerdem bestehen erhebliche Wechselwirkungen zwischen ökonomischen Größen und Kriminalität: So können Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Wohlstand oder Einkommensverteilung einen erheblichen Einfluss auf Ausmaß und Intensität von Kriminalität haben. Diese Fragen werden in der heute veröffentlichten DIW-Analyse, die den Fokus auf die Strafverfolgung richtet, zwar nur am Rande behandelt. In anderen Arbeiten setzt sich DIW-Experte Hannes Spengler jedoch sehr intensiv mit diesen Einflussfaktoren auseinander. In einer weiteren Untersuchung analysierte er den Einfluss von Kriminalität auf Wirtschaftswachstum und stellte negative Effekte fest:
- Lokale Determinanten der Kriminalität und Tätermobilität. Eine empirische Studie mit Gemeindedaten, Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 85 (2002) S. 1-19 (mit T. Büttner)
- Crime in Europe: Causes and Consequences, Springer-Verlag (2002) (mit H. Entorf).
Und noch einen Grund gibt es, weshalb sich Ökonomen mit Kriminalität befassen: So eignen sich die Denkweise und das methodische Instrumentarium von Volkswirten besonders gut zur Modellierung und Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Kriminalität, Abschreckung und Ökonomie. Hier sind insbesondere Rational Choice-Ansätze, die neueren Ansätze der Neuroeconomics und in empirischer Hinsicht die multivariaten Analysemethoden - insbesondere die Regressionsanalyse - zu erwähnen.
Warum ist das deutsche Strafrecht als Studienobjekt besonders gut geeignet?
Zum einen ist das Strafrecht im beobachteten Zeitraum zum Teil erheblich verändert worden. Zum anderen sind Polizei und Justiz in Deutschlands weitgehend Ländersache. Trotz einheitlichem Strafgesetz gibt es aufgrund kultureller und politischer Unterschiede große Schwankungen in der Strafverfolgungsintensität zwischen den Ländern. So tendieren die nördlichen Bundesländer wie Niedersachsen, Bremen oder Schleswig-Holstein eher zu einer milden Strafverfolgungspolitik, während Bayern und Baden-Württemberg sich gegen die Liberalisierung des Strafrechts sträubten und eine härtere Politik beibehielten. Die deutsche Strafverfolgung mit ihrer zum Teil recht unterschiedlichen Praxis in den einzelnen Ländern stellt deshalb gleichsam ein "natürliches Experiment" dar - wie Kriminalpolitik „wirkt“ lässt sich unter ähnlichen Rahmenbedingungen nämlich besonders gut von Land zu Land (bzw. Bundesland zu Bundesland) vergleichen.
Was ist Diversion?
Diversion bedeutet wörtlich Ablenkung oder Umleitung. Damit ist der Verzicht auf ein förmliches gerichtliches Strafverfahren gemeint. Das Strafverfahren wird stattdessen aus Opportunitätsgründen eingestellt - bei Vorliegen der Prozessvoraussetzungen und hinreichendem Tatverdacht durch die Staatsanwaltschaft oder durch das Gericht. An seine Stelle tritt die außergerichtliche Beilegung häufig unter Auflagen. Das Konzept der Diversion sollte das Problem steigender Kriminalitätsraten und zunehmender Kosten der Justiz in den 70er Jahren lösen. Diversion wird international überwiegend zur Bekämpfung der Bagatell- und Jugendkriminalität angewendet. Dem Konzept liegt der Gedanke zugrunde, dass insbesondere bei jugendlichen Straftätern die Durchführung eines förmlichen Strafverfahrens mehr Schaden als Nutzen bewirken kann.
Worin unterscheiden sich deutsches und US-Strafrecht?
In Deutschland besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Allgemeinem Strafrecht und Jugendstrafrecht. Im Jugendstrafrecht steht der Aspekt der Erziehung im Vordergrund. Junge Erwachsene von 18 bis unter 21 Jahren können entweder nach allgemeinem Strafrecht oder nach Jugendstrafrecht abgeurteilt werden. Dies liegt im Ermessen des Richters und wird je nach Bundesland sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Frage, welcher Strafcode bessere Ergebnisse bei jungen Tätern erzielt, wird auch unter Experten kontrovers diskutiert. In den USA werden Personen ab 18 Jahren ausschließlich nach Erwachsenenstrafrecht abgeurteilt.
Regelungen wie „three strikes and you are out“ – auch wenn sie in den USA nur in Ausnahmefällen tatsächlich greifen – existieren in Deutschland nicht. In Bezug auf Tötungsdelikte besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass in den USA immer noch die hierzulande längst abgeschaffte Todesstrafe angewendet wird.
Is being 'Soft on Crime' the Solution to Rising Crime Rates? Evidence from Germany. Horst Entorf; Hannes Spengler. DIW Berlin Discussion Papers No. 837. Berlin, November 2008
DIW Berlin Discussion Papers No. 837
(Quelle: Pressemitteilung des DIW Berlin vom 12.03.2009)
(Kontakt:Pressestelle und -anfragen: Renate Bogdanovic, Telefon +49-30-897, 89-249, Telefax +49-30-897 89-119, presse@diw.de)
09.03.2009
Das österreichische Justizministerium hat den Entwurf eines Bundesgesetzes vorgelegt, mit dem das StGB, die StPO, das StVollzG, das BewHiG und das JGG geändert werden sollen. Es handelt sich um den ersten Teil der Umsetzung der von Bundesjustizministerin Dr. Maria Berger ins Auge gefassten Reformen , die zu mehr Sicherheit durch bessere Gestaltung des Strafvollzuges führen sollen. Es wird von einem Paradigmenwechsel im Sinne neuer Strafvollzugsgrundsätze gesprochen, mit dem Ziel einer rationalen Strafrechtspolitik, welche die Wiedereingliederung verurteilter Personen in die Gesellschaft durch ein Bündel von Maßnahmen fördern soll, die besser als die vollständige Verbüßung einer Freiheitsstrafe geeignet sind, die Gefahr des Rückfalls zu reduzieren. Unter anderem soll mit Blick auf die bedingte Entlassung die traditionelle Differenzierung zwischen Hälfte und Zweidrittel-Entlassung weitestgehend aufgegeben werden. Generalpräventive Versagungsgründe dürfen nur bei Verurteilten herangezogen werden, die aus einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedingt zu entlassen sind und nur solange, bis siw zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt haben. Künftig soll es auch Fälle von obligatorisch angeordneter Bewährungshilfe geben. Die Materialien zu diesen und weiteren geplanten Neuerungen finden sich unter folgender URL:
http://www.bmj.gv.at/gesetzesentwuerfe/index.php?nav=13&id=103
09.03.2009
Mit dem 2. Gewaltschutzgesetz soll der Schutz von Opfern vor Gewalt durch einstweilige Verfügung ausgebaut werden. So werden die zuständigen Gerichte künftig eine Verfügung auch für Bereiche außerhalb der Wohnung oder des Wohnbereiches aussprechen können, etwa wenn dort ein Zusammentreffen mit dem Opfer zu erwarten wäre. Im materiellen Strafrecht (ÖStGB) soll ein neuer Straftatbestand inkraft treten, der einzelne Straftatbestände zusammenfasst, die üblicherweise bei länger andauernden Gewaltdelikten zum Tragen kommen. Die Grundstrafdrohung soll bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe betragen; qualifizierte Tatbestände reichen jedoch bis zu einer Strafdrohung von 10 bis zu 20 Jahren Freiheitsstrafe. Im Zivilprozess sollen Opferschutzregelungen eingeführt werden, die sich bereits im Strafrecht bewährt haben: die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, die Geheimhaltung der Wohnanschrift des Opfers und die schonende Vernehmung des Opfers an einem abgesonderten Ort.
Die Materialien zu diesen und weiteren geplanten Neuerungen finden sich unter folgender URL:
http://www.justiz.gv.at/gesetzesentwuerfe/index.php?nav=13&id=108
06.03.2009
The 16th World Congress of the International Society of Criminology (ISC) will be held at the Kobe International Conference Center in Kobe, Japan, on August 5-10, 2011. The local host is the Japan Federation of Criminological Associations (JFCA), which is formed by the eight criminological associations in Japan covering a wide range of disciplines from sociological criminology to correctional medicine. JFCA has started its preparation for the Congress with close consultation with the ISC leadership.
The general theme and other details will be determined at the meeting of ISC’s Board and Scientific Committee in Paris in May, 2009. An official website will be set up and the first circular will be prepared soon afterward.
Kobe is a port city with 1.5 million inhabitants located near Osaka in western Japan. (http://www.kvca.or.jp/convention/english/index.html) One of the first ports opened to the outside world in the late 19th century, it has a distinctive international atmosphere which attracts tourists both from abroad and from Japan. Although devastated by the earthquake of 1995, Kobe, the “Phoenix”, has quickly risen again, and now fully enjoys its prosperity.
The city is served by two nearby international airports (the Kansai International Airport and the Osaka International Airport) as well as a municipal airport. A day trip to Kyoto and Hiroshima can easily be made by train, and a trip to Tokyo in eastern Japan is also easy by train or plane.
The Congress is to be held at the Kobe International Conference Center, located on a man-made island in the Port of Kobe.(http://kobe-cc.jp/english/index.html) It is conveniently surrounded by a group of hotels with varying prices, and all congress sessions will be held in the fully air-conditioned rooms under one roof of the Conference Center.
We will keep you posted of the progress. Please plan ahead to attend this important event for the world community of criminologists. It may be a good idea, for instance, to make this Congress a part of your summer vacation in 2011. You will not be disappointed, intellectually or otherwise.
Until the official website is set up, please send your inquiries to:
Secretariat, 16th World Congress of ISC
c/o Osaka University of Commerce
tel: 81-(6)-6618-4323 fax: 81-(6)-6618-4426 wcon@oucow.daishodai.ac.jp
06.03.2009
New Data on Immigrant Children and Families
Children in immigrant families now represent 22 percent of all U.S. children and youth under 18 and 26 percent of all children living in poverty. Learn more about immigrant children and families in the KIDS COUNT Data Center, which offers the latest national, state, and city-level data on more than 100 measures of child well-being, including:
Visit the Data Center to create your own map, chart, or graph — or add an interactive map to your own website:
Visit the KIDS COUNT Data Center to make your own map.
06.03.2009
Marie-Isabelle Pautz, a One-Year FastTrack Master's Degree candidate in Restorative Practices and Youth Counseling at the International
Institute for Restorative Practices (IIRP), is implementing restorative practices in a preschool for her YC/ED 510, Professional Learning Group
(PLG) Seminar: Restorative Project.
Pautz is seeing wonderful results with pre-school children by using restorative practices, which she defines as: "participation by everyone
affected by decisions, widening the circle, building social capital, separating the deed from the doer, and a focus on responsibilities and
effects of actions, rather than blaming and labeling." This article includes excerpts from Pautz's IIRP PLG paper.
To read the article, please go to: http://www.safersanerschools.org/library/rp_preschool.html
To download a PDF of the article, please go to: http://www.iirp.org/pdf/rp_preschool.pdf
06.03.2009
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat einen weiteren Forschungsbericht in seiner Reihe über die Integration von Migranten in Deutschland veröffentlicht:
Schwerpunkt Migration, Integration. Eine PDF-Version kann kostenlos heruntergeladen werden.
Berufliche und akademische Ausbildung von Migranten in Deutschland
Aus der Reihe "Integrationsreport", Teil 5
Das Working Paper "Berufliche und akademische Ausbildung von Migranten in Deutschland" gibt anhand amtlicher Daten (Statistiken zur beruflichen Bildung und zum Hochschulstudium) sowie des Mikrozensus (berufsbezogenes Bildungsniveau der Gesamtbevölkerung) einen umfassenden Überblick zu den beruflichen Qualifikationen von Zuwanderern im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung.
06.03.2009
Bundesverfassungsgericht - Beschluss vom 4. Februar 2009 – Untersuchung im Intimbereich bei Untersuchungshäftlingen nur bei konkreten Verdachtsmomenten verfassungsgemäß
Der Beschwerdeführer, ein Steuerberater, wurde morgens gegen sieben Uhr, als er seine Kinder zur Schule brachte, wegen Verdachts der Bestechlichkeit und der Untreue zum Nachteil des berufsständischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Nach seinen Angaben musste er sich bei Aufnahme in die Untersuchungshaft entkleiden und durch Justizvollzugsbeamte im Intimbereich untersuchen lassen (Anusinspektion). Widerspruch und Antrag auf gerichtliche Entscheidung hiergegen blieben erfolglos. Das Hanseatische Oberlandesgericht erachtete die Maßnahme für rechtmäßig. Die allgemeine Anordnung, neu aufzunehmende Gefangene entsprechend zu untersuchen, sei zur Wahrung der Ordnung der Vollzugsanstalt (§ 119 Abs. 3 StPO) erforderlich gewesen, nämlich um zu verhindern, dass Betäubungsmittel, Geld oder andere verbotene Gegenstände am oder im Körper versteckt eingeschmuggelt würden. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats stellte fest, dass das Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers verletzt sei: Zu Recht ist das Oberlandesgericht zwar davon ausgegangen, dass das Einbringen von Drogen und anderen verbotenen Gegenständen in Justizvollzugsanstalten eine schwerwiegende Gefahr für die Ordnung der jeweiligen Anstalt darstellt. Es hat aber weder dem besonderen Gewicht der im vorliegenden Fall berührten grundrechtlichen Belange noch den besonderen Einschränkungen ausreichend Rechnung getragen, die sich für die Zulässigkeit eingreifender Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft aus dem generalklauselartigen Charakter der Eingriffsermächtigung des § 119 Abs. 3 StPO sowie aus den Besonderheiten der Untersuchungshaft ergeben. Eingriffe, die den Intimbereich und das Schamgefühl des Inhaftierten berühren, lassen sich im Haftvollzug nicht prinzipiell vermeiden. Der Gefangene hat insoweit aber Anspruch auf besondere Rücksichtnahme. Der bloße Umstand, dass Verwaltungsabläufe sich ohne eingriffsvermeidende Rücksichtnahmen einfacher gestalten, ist hier noch weniger als in anderen, weniger sensiblen Bereichen geeignet, den Verzicht auf solche Rücksichtnahmen zu rechtfertigen. Dies gilt in verschärftem Maße für Eingriffe während der Untersuchungshaft, die auf der Grundlage bloßen Verdachts verhängt wird. Indem das Oberlandesgericht die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Umstände des konkreten Falles nicht gewürdigt hat, sondern davon ausgegangen ist, die fragliche Maßnahme sei bei Antritt der Untersuchungshaft generell und unabhängig von den Umständen des Einzelfalles zulässig, hat es dem Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht hinreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus hat das Gericht auch Möglichkeiten der milderen Ausgestaltung des Eingriffs wie die nach Auskunft der Justizbehörde üblicherweise praktizierte, das Schamgefühl weniger intensiv berührende Durchführung einer etwaigen Inspektion von Körperhöhlen durch einen Arzt oder eine Ärztin nicht erwogen. (Pressemitteilung Nr. 16/2009 vom 26. Februar 2009) Vollständiger Text des Beschlusses: 2 BvR 455/08 –